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Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dem Schattengreifer in der Kajüte des Schiffes geteilt hatte. Und mit diesem Gefühl in sich trat er vor die riesige Krähe. Er blickte ihr fest in die Augen. So tief, dass er beinahe meinte, bis in ihre Seele schauen zu können. Und ohne die Lippen zu bewegen, sprach er auf sie ein.
    »Wenn Ihr mich hören könnt …« Seine Gedanken berührten die Krähe. Er konnte es an ihrem Blick erkennen. Seine gedachten Worte erreichten sie. »Lasst mich zu Euch kommen«,bat Simon. »Lasst mich nach Euch sehen. Schon einmal habe ich Euch helfen können. Erinnert Euch. Und vielleicht ist es mir auch jetzt möglich …«
    »Komm!«
    Dieses eine Wort erfüllte mit einem Mal die ganze Halle. Wie aus dem Nichts war die Stimme des Schattengreifers zu hören.
    Kläglich.
    Bittend.
     
    Die riesige Krähe flog ihm voraus. Simon hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Dieser Gang der Höhle war besonders eng und dunkel. Immer wieder stolperte Simon im Laufen über Wurzeln und Steine. Die Krähe flog mit einer Geschwindigkeit voraus, die Simon ahnen ließ, dass ihnen kaum noch Zeit blieb.
    Und während sie rannten, wuchs in Simon mit jedem Schritt die Gewissheit, dass es für sie alle vielleicht doch noch einen Hoffnungsschimmer gab. Eine Möglichkeit, dem Schattengreifer doch noch zu entkommen. Vielleicht – wenn Simon es geschickt anstellte.
    Er ballte die Hände zu Fäusten und trieb sich selbst weiter an, der Krähe hinterher.
    Schließlich stoppte die Krähe ihren Flug. Sie hielt vor einer Abzweigung des Höhlengangs und setzte sich dort auf die Erde.
    »Ist es hier?«, fragte Simon völlig außer Atem.
    Die Krähe wies mit ihrem Schnabel in das Innere des Gangs. Und noch einmal vernahm Simon die geschwächte Stimme des Magiers aus dem Schnabel der Krähe: »Komm!«
    Aus dem Gang schimmerte es ihm grünlich entgegen. Simon erinnerte sich. Es war das gleiche Licht, das er gesehen hatte, als er einst dieses Reich des Schattengreifers betreten hatte. Er nahm seinen Mut zusammen und trat in den Gang. Die Krähe folgte ihm nicht. Sie blieb, wie zur Wache, stumm auf ihrem Platz vor dem Gang stehen.
    Mit jedem Schritt, den Simon ging, wurde das Licht heller. Dieser Gang war nicht sehr lang. Schon bald hatte Simon das Ende erreicht. Und tatsächlich, er befand sich in der mächtigen Halle, die er schon einmal betreten hatte.
    Sie war weit größer als die anderen Hallen, die er bisher in der Zeitenfestung erblickt hatte.
    Ein Deckengemälde hoch über Simon zeigte verschiedene Unterwasserlandschaften. Mächtige Säulen ragten in die Höhe und stützten die Decke.
    Simon wandte sich nach links, dem Raum zu, in dem er einst die Kiste mit der Heimaterde des Schattengreifers gefunden hatte.
    Eine Eichentür führte zu diesem Raum. Es war die einzige Tür, die Simon bisher in dieser Unterwelt zu sehen bekommen hatte: die Tür zum Schlafgemach des Schattengreifers.
    Simon nahm die goldene Klinke in die Hand und stemmte sich gegen die Tür. Den Schlüssel mit dem Delfin daran benötigte er dieses Mal nicht. Die Tür war nicht abgeschlossen und schwang sofort knarrend auf.
    In der Mitte des Raums befand sich noch immer das Bett des Schattengreifers. Weitere Gegenstände gab es auch jetzt kaum in diesem Gemach. Einzig das Bett und die Kiste hinter der Tür, mit der Heimaterde des Schattengreifers darin.
    Der Magier lag ausgestreckt auf seinem Bett. Er röchelte und rang nach Atem. Es fiel ihm sichtlich schwer, auch nur den Kopf zu heben, um Simon zu begrüßen.
    »Tritt ein«, sagte er beinahe tonlos. Seine Lippen bewegten sich wieder. Doch seine Stimme versagte bereits.
    Simon trat an das Bett heran und blickte auf diesen schwachen, wehrlosen Mann. Ein einziger Schlag gegen seinen Hals hätte gewiss ausgereicht, um ihn zu töten.
    »Ihr zeigt großes Vertrauen«, sagte Simon.
    Der Magier nickte kaum merklich. »Du wolltest mich sehen«, gab er zur Antwort. »Sicher wolltest du dich an meinem Leid erfreuen. Nun, schau hin. Hier liege ich. Niedergestreckt. Kaum mehr in der Lage, die wenigen Worte auszusprechen. Genieß den Augenblick. Doch glaube nicht, dass der Kampf vorbei ist, wenn ich mein Leben ausgehaucht habe. Du und deine Freunde …«
    Simon hob die Hand und brachte den Magier zum Schweigen. »Ich bin nicht hier, um Euch zu besiegen«, widersprach er dem Schattengreifer. »Ganz im Gegenteil.«
    »So?«
    »Ich möchte Euch helfen. Und ich weiß auch bereits, wie.«
    Die Augen des Magiers weiteten sich. Simon hatte fast den Eindruck, als

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