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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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die Zügel eines schnaubenden Pferdes. Die Augen des Tieres leuchteten wie blau glühende Kohlen.
    »Wohnt hier der Schmied Reinbrecht?«, fragte er. Seine Stimme klang wie rostiges Eisen. Nico konnte sein Gesicht nicht erkennen. Er schien an ihr vorbei durch die Tür sehen zu wollen.
    »Ja«, antwortete sie.
    Der Fremde senkte sein Haupt, als ob er das Mädchen der Stimme nach suchen wollte und nicht fand. Nico fühlte, wie die Kälte durch ihre nackten Fußsohlen kroch und das Blut in ihren Adern gefrieren ließ.
    »Mein Pferd hat ein Eisen verloren. Schlagt es ihm auf und ihr werdet reich belohnt.«
    Nico sah sich nach ihrem Vater um. Er schlief, genau wie die anderen, obwohl die Stimme des Mannes jeden im Raum hätte wecken müssen. Einzig die Zicklein krochen enger an den Leib der Mutter, aber auch sie hielten die Augen geschlossen und atmeten schnell; die Brustkörbe hoben und senkten sich wie winzige kleine Blasbälge unter dem dünnen Fell.
    »Er schläft«, sagte Nico. »Ihr müsst morgen wieder –«
    Mit einem Schlag öffnete der Fremde die Tür und betrat den Raum. Sein Pferd folgte ihm. Es schritt über die Tiere hinweg, die ihm hektisch und scharrend Platz machten und trotzdem die Augen geschlossen hielten, fest zugepresst, als hätte die Todesangst eines Albtraums sie im Schlaf gepackt.
    Der Fremde schnippte mit den Fingern und bläuliche Flammen Feuer lohten in der Esse. Nico starrte erst das Feuer und dann seinen Verursacher mit offenem Mund an.
    »Nun? Will er nicht, der Herr Schmied?«
    »Vater!«
    Nico stürzte sich auf Reinbrecht, dann auf Vrena. Sie rüttelte, schrie, zog die schwere Wolldecke weg, doch keiner wachte auf. Heinzo steckte den Daumen in seinen rosigen Mund. Sie hielt die Luft an. Vor ihren Augen verloren erst die Wangen, dann die vollen, weichen Lippen des kleinen Bruders ihr Rot und wurden wachsbleich.
    »Was …« Sie drehte sich zu dem Fremden um. »Wer seid Ihr?«
    »Ich bin der, der die Seelen holt, die nicht in geweihter Erde liegen. Und da ich nun schon einmal hier bin …«
    Das blaue Schimmern wurde stärker. Es tauchte die Bretterwände in gespenstisches Licht. Raureif kroch wie Nebel in die Hütte und legte sich knisternd über das Stroh am Boden.
    »Nein!« Nico wollte schreien, doch nur ein heiseres Flüstern drang aus ihrer Kehle. Nicht Helwig, wollte sie sagen, doch der unheimliche Mann drehte sich langsam zu ihr um. Sein Gewand schwang um seinen mageren Körper wie ein Vorhang, der im Wind wehte. In diesem Moment begriff sie, dass der Tod in ihrer Hütte stand und Mutter, Vater, Bruder, Schwester nicht schliefen, sondern erfroren. Helwigs unbehauste Seele, ihr ungeweihter Leib hatten ihn direkt nach Thale geführt.
    »Ich … Ich schmiede euch das Eisen.« Nico zitterte am ganzen Körper. Sie hatte ihren Vater schon des Öfteren beobachtet. »Ich kann es. Lasst ihr uns dafür gehen?«
    Das Ross schnaubte und schüttelte den Kopf. Mähne, Schweif und Kruppe glitzerten, als würde es schwarze Eiskristalle schwitzen. Es scharrte mit dem Huf und zerkratzte den spiegelglatt gefrorenen Boden.
    »Wenn dir diese Flamme reicht?«
    Nico entging die lauernde Vorfreude seiner Frage nicht. Sie trat an die Esse und griff nach Zange und Eisen. Sie hielt den Rohling über die Glut und sah zu ihrem Entsetzen, wie er sich vor ihren Augen in blankes Eis verwandelte.
    »Nun?«, fragte das Böse hinter ihrem Rücken. »Geht es voran?«
    Nico legte das Hufeisen auf den Amboss und griff zum Hammer. Ein Schlag und der Rohling zersplitterte.
    »Lasst es mich noch einmal versuchen«, bat sie mit tränenerstickter Stimme.
    Der Tod schien Gefallen an ihrer Mühe gefunden zu haben. Er verschränkte die Knochenhände vor der Brust und nickte ihr aufmunternd zu. »Drei Versuche hast du, mein Kind. Wenn es dir dann nicht gelingt, mein Ross zu beschlagen, werdet ihr mir alle folgen.«
    Nico nahm das nächste Eisen. Wieder brauchte es nur einen Wimpernschlag und es war in Eis verwandelt. Es zersplitterte unter dem Hammer wie Glas. Sie nahm das dritte und hielt kurz inne.
    »Haltet Euer Pferd fest«, befahl sie dem Tod.
    Der nickte und griff nach dem linken Hinterlauf seines Rosses. »Nun warte nicht zu lange, liebes Kind. Dies ist dein letzter Versuch. Mein Ross ist nicht gewohnt, Geduld zu haben.«
    Nico biss sich auf die Lippen. Ihre Arme wurden schwer wie Blei. Sie fühlte ihre Beine nicht mehr. Der Wind schien durch alle Ritzen zu pfeifen und trug Schneeflocken in die Stube, die tänzelnd zu

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