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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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gut wie tot. Zach hat das Haus zum x-ten Mal in den Ruin geführt. Und wie immer: Auf einmal ist da ja noch seine bucklige Verwandtschaft in England.«
    »Er will Geld.«
    Leon nahm den Spülschwamm. Plötzlich warf er ihn mit so einer Wucht ins Wasser, dass der Schaum bis an die Wand spritzte.
    »Mein Vater hat immer davon geträumt zurückzukommen. Der Harz, hat er gesagt, das ist deine Heimat. Da bist du zu Hause. Er hat so ein Heimweh nach Siebenlehen. Ihm bricht das Herz, wenn er daran denkt, wie heruntergekommen der Hirsch ist. Aber sein eigener Bruder hat ihn beklaut und sie haben sich nie versöhnt. Jetzt, wo Zach der Arsch auf Grundeis geht und er angekrochen kommt, soll ich ihm auch noch die Hand ausstrecken. Und wofür? Dass wir bei unserem nächsten Urlaub einen Sonderpreis für die Dachkammer kriegen?«
    Er stützte sich mit beiden Händen am Beckenrand ab und starrte ins Spülwasser. Nicos Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Es war so unfair. Die einen sehnten sich danach, zurückkommen zu dürfen, und die anderen schlugen drei Kreuze, wenn der Name Siebenlehen auch nur erwähnt wurde.
    »Es tut mir leid.«
    »Du kannst ja nichts dafür. Aber du verstehst jetzt, warum das Verhältnis zwischen meinem Onkel Zach und uns etwas … nun, angespannt ist.«
    »Will er euch den Schwarzen Hirschen denn jetzt endlich geben?«
    »Schön wär’s. Nein. Er will Geld. Und mein Vater wird wieder so blöd sein und sich weichkochen lassen. Dabei ist nicht der Schwarze Hirsch das Problem. Es ist Zach.« Leon machte eine Handbewegung, als ob er ein Glas Schnaps kippen würde. »Und Trixi ist noch schlimmer dabei. Trixi ist seine Frau. Mit der komme ich gar nicht klar.«
    »Verstehe«, sagte Nico. »Es tut mir trotzdem leid. Aber du weißt wenigstens, warum ihr euch in die Haare gekriegt habt. Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie es zu so einem Bruch zwischen Kiana und meinen Eltern gekommen ist.«
    Leon begann abzuwaschen. Nico holte sich ein Geschirrtuch und trocknete ab.
    »Trotzdem hat sie dir Schattengrund geschenkt«, sagte er. »Also war es vielleicht mit der Abneigung eine einseitige Sache?«
    »Sie hat angeblich nicht gut genug auf mich aufgepasst«, sagte Nico. »Das ist alles, was ich erfahren habe. Und dann …«
    Sie stellte den trockenen Teller zurück ins Regal.
    »Bevor ich abgehauen bin, habe ich nachts durch Zufall was gehört.«
    »Moment. Du bist abgehauen?«
    Nico wäre am liebsten im Erdboden versunken. Abgehauen. Das hörte sich so kindisch an. So trotzig und unüberlegt. So nach »kleines Mädchen«. »Es ging nicht anders. Meine Eltern hätten es mir nie erlaubt hierherzukommen!«
    Leon betrachtete sie nachdenklich. »Dann ist das hier so eine Art Sitzblockade? Occupy Schattengrund?«
    »Nicht ganz. Also, es ist nicht so einfach. Ich muss …« Sie ging langsam zur Spüle und holte sich den nächsten Teller. Dabei musste sie sehr nahe an Leon vorbei. Er verunsicherte sie schon wieder. Wenn er auf der einen Seite des Tisches saß und sie auf der anderen, wenn er blöde Sprüche machte und sie sich ärgern konnte, war alles gut. Aber wenn sie ihn beinahe berühren musste … Er trat einen Schritt zur Seite, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Und das war noch peinlicher als alles andere zusammen.
    »Was musst du?«
    Seine Stimme, warm und leise. Es war, als ob Glasperlen über ihren Rücken rieseln würden.
    »Ich muss drei Rätsel lösen.« Sie flüsterte fast. Ob er sie jetzt für total verrückt hielt? Sie nahm den nächsten Teller und hielt ihn wie einen Schild vor die Brust. »Rätsel, die mir Kiana aufgegeben hat, in ihrem Testament. Mit einem Besen kehren. Das Schwert und den Turm finden. Und einen Stein zurückbringen.«
    »Das Erz, von dem du erzählt hast?«
    »Ja.«
    Er lachte sie nicht aus. Er sah sie höchstens ein bisschen merkwürdig an. Vielleicht so, wie man Patienten in Nervenheilanstalten ansah, die man nicht zu sehr aufregen durfte.
    »Zeig ihn mir doch mal.«
    »Echt?«
    »Klar. Ich werde Geologe. Wenn dir einer sagen kann, woher der Stein kommt, dann ich.«
    Sie legte Teller und Tuch auf den Küchentisch und ging ins Wohnzimmer. Leon folgte ihr. Den Stein hatte sie im Seitenfach ihrer Messenger-Bag verstaut. Leon nahm ihn vorsichtig in die Hand, drehte und wendete ihn.
    »Der ist von hier«, sagte er schließlich. »Genau wird dir das ein Labor in Goslar sagen können. Aber ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er aus unserem Berg da oben ist.

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