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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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hoch und hielt sie mit einem resignierten Seufzen unter laufendes Wasser. »Wolltest du abhauen?«
    »Bin ich hier gefangen?«
    »Nein.« Er warf die Pfanne mit einem Scheppern in die Spüle. »Aber wenn du schon vor meinen Füßen zusammenklappst, habe ich ja wohl eine gewisse Pflicht, dich von der Straße aufzulesen. Leider kann ich nicht stundenlang an deinem Bett sitzen und Händchen halten, falls du das erwartet hast.«
    »Hab ich nicht«, zischte Nico. »Ich wache in einem fremden Bett in einem fremden Haus auf, und kaum will ich es verlassen, taucht dein verrückter Clan auf und geht auf mich los.«
    »Das haben wir ja nun geklärt.«
    »Ja. Danke. Ich fühle mich geborgen und herzlich aufgenommen.«
    Er schüttelte ärgerlich den Kopf und kehrte ihr den Rücken zu, während er die Pfanne sauber machte. Ihr Magen knurrte. Aber der Hunger verschwand, als sie daran dachte, was sie auf dem Friedhof herausgefunden hatte.
    »Hast du Fili gekannt?«
    »Natürlich. Nicht sehr gut. Sie war ein Sonnenschein. Uns haben ja nur zwei Jahre getrennt. Ich habe mich ein bisschen wie ihr älterer Bruder gefühlt.«
    »Sind wir uns damals begegnet?«
    »Ich glaube nicht. Jedenfalls kann ich mich nicht an dich erinnern. Und das hätte ich, glaub es mir.«
    Es klang nicht nach einem Kompliment, sondern nach dem genauen Gegenteil. Er ließ die Pfanne abtropfen und stellte sie auf den Herd.
    »Und …« Nico schluckte. Es fiel ihr schwer, Filis Tod anzusprechen. »Und als es damals passiert ist? Wie war das?«
    Leon strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Er dachte nach. Lange. Nico wartete darauf, Abscheu und Zorn in seinem Gesicht zu entdecken. Aber sie sah nur einen tiefen, traurigen Ernst.
    »Ich glaube, Zach und Trixi sind daran kaputtgegangen. Das, was du grade erlebt hast, ist nur eine der Auswirkungen, die so eine Tragödie hat. Ich fand sie immer merkwürdig. Wir hatten nie einen Draht zueinander. Ich war geduldet, mehr nicht. Ich kam auch nur, weil mein Vater darauf bestand. Damit ich nicht den Kontakt zur Heimat verliere. Für mich war das nicht einfach. Ich war weder in Wales noch in Siebenlehen richtig zu Hause. Wir beide haben also was gemeinsam: Wir sind nicht besonders gerne hier gesehen.«
    »Das tut mir leid«, sagte Nico leise.
    »Jedenfalls war ich nicht da, als es passiert ist. Mein Vater war auf der Beerdigung, das weiß ich noch. Ich war dann ein paar Jahre nicht hier, aber ich erinnere mich daran, dass mir Filis Lachen gefehlt hat. Sie ist immer zu mir gelaufen und hat sich in meine Arme geworfen. Das war hart. Ich war seitdem auch nicht mehr in ihrem Zimmer.«
    Er ging zum Kühlschrank und holte eine Packung Bratwürste heraus. Nico schluckte.
    »Ich glaube, ich hab keinen Hunger.«
    »Kann schon sein. Aber du musst was essen. Keine Widerrede. Die Pizzeria hat noch nicht auf.«
    »Es gibt eine Pizzeria hier?«
    »Na ja. Sagen wir so: Pizza, Döner, Currywurst. Aber ist ja grade mal fünf Uhr, du musst dich also noch ein bisschen gedulden.«
    »Kein Problem. Filis Zimmer … Ich kann mich gar nicht daran erinnern. Ich glaube, wir waren immer nur bei Kiana.«
    »Damals lief der Schwarze Hirsch noch ganz gut. Wahrscheinlich war das Haus voller Gäste, und da wollte man nicht auch noch fremde Kinder hier herumwuseln haben.«
    »Gibt es das Zimmer noch?«
    Leon zündete die Gasflamme an. »Ja.«
    »Kann ich es sehen?«
    »Ich weiß nicht. Ehrlich. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Zita wird das gar nicht gefallen.«
    »Zita wird’s der Herr vergelten.«
    Leon lachte. Er stellte die Pfanne auf die Gasflamme, goss ein paar Löffel Öl hinein und wartete, bis sie heiß genug war. Dann legte er zwei Würste in die Pfanne. Es zischte und brutzelte. Der Duft, der Nico in die Nase stieg, war unwiderstehlich, aber ihre Kehle war immer noch wie zugeschnürt.
    »Ich wusste nicht, dass du mit Fili losgezogen bist. Das ist gar nicht bei mir angekommen. Und du kannst dich wirklich an gar nichts mehr erinnern? Wie ihr in den Berg gekommen seid? Warum ihr da hoch wolltet?«
    »Ich habe mich bis vorgestern überhaupt nicht an Fili erinnert. Das macht mir wirklich zu schaffen. Wie konnte ich so ein Unglück denn völlig aus meinem Leben ausblenden?«
    »Es gibt Schutzmechanismen. Deine Seele wollte es nicht.«
    »Und kaum bin ich hier, geht es Schlag auf Schlag. Fili ist mir im Traum erschienen. Wir waren Hexen. Winterhexen. Vielleicht sollte ich noch mal da hoch.«
    »Auf den Berg? Nicht wirklich,

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