Schattenherz
Geboren persönlich ist einem Troß von mehr als zehntausend Soldaten erschienen und hat Gaborn mit Laub gekrönt.«
Sie wirbelte herum und fing an, den Torposten etwas auf taifanisch zuzurufen. Borenson konnte sich ohne
Schwierigkeiten vorstellen, worauf ihre Frage abzielte. »Wieso hat man mir nichts davon erzählt?«
Die Eunuchen grunzten nur ausweichend.
Saffira wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Borenson zu.
»Das sind ernste Neuigkeiten. Und Ihr behauptet, der Erdkönig habe mir Geschenke und eine Nachricht geschickt?«
»So ist es, Euer Hoheit.« Borenson öffnete den Beutel mit den Zwingeisen und breitete sie behutsam auf dem Boden aus, damit das weiche Blutmetall nicht beschädigt wurde. »Er bietet Euch ein Geschenk aus Gaben der Anmut und der Stimmgewalt.«
Beim Anblick so vieler Zwingeisen schnappte Saffira überrascht nach Luft. Es handelte sich um ein überaus beeindruckendes Geschenk.
»Darüber hinaus schickt er folgende Nachricht. Gaborn hat vor kurzem Iome Sylvarresta geheiratet und ist durch diese Heirat jetzt der Vetter Eures Gemahls. Es geht die Kunde um von Greifern, die im Süden Mystarrias und in Kartish aufgetaucht sind. Der Erdkönig möchte diesen Konflikt mit Euerm Lord Raj Ahten ruhen lassen und bittet Euch, ihm folgende Nachricht zu überbringen: ›Obwohl ich meinen Vetter hasse, ist der Feind meines Vetters auch mein Feind.‹«
Als Saffira daraufhin überrascht Luft holte, war dieser Laut die reinste Wonne. Sir Borenson erwartete von ihr eine Antwort. Sie wußte, worum er sie gebeten hatte. Sie wußte, daß sie von den Zwingeisen würde Gebrauch machen und an die Front in Rofehavan würde reisen müssen.
»Die Männer, die meinen Sohn getötet haben, ersuchen um einen Waffenstillstand?« wollte Saffira wissen. Borenson fluchte insgeheim. Vor einem ermordeten Sohn hatte Jureem nichts erwähnt.
»So ist es«, erwiderte Borenson, als trage er persönlich eine gewisse Verantwortung für den Tod ihres Sohnes.
»Angenommen, mein Gemahl erklärt sich damit ein—
verstanden«, erkundigte sich Saffira, »bedeutet das dann, Ihr werdet aufhören, Unabhängige Ritter gegen uns zu schicken?
Werdet Ihr aufhören, unsere Übereigner und die Mitglieder der königlichen Familie umzubringen?«
Borenson zögerte. Hier in Indhopal war es üblich, ein Ansinnen umzuformulieren, wenn man einen Handel tätigte, in der Hoffnung, auf diese Weise eindeutigere Zusagen zu erhalten. Die Frau verlangte eine Bestätigung, daß sie und ihre Kinder nicht mehr mit der Gefahr einer Ermordung durch die Unabhängigen Ritter rechnen mußten. Ein annehmbarer Wunsch.
Allerdings hatte Gaborn sich geweigert, den Hauptmarschall der Unabhängigen Ritter zu Erwählen, dabei hatte
Hauptmarschall Skalbairn angeboten, ihm den Befehl über seine Truppen abzutreten. Konnte Gaborn allen Ernstes behaupten, er hätte das Kommando über die Unabhängigen Ritter?
Die Antwort lautete sowohl ja als auch nein. Gegenwärtig befehligte Gaborn diese Truppen nicht, aber er konnte es tun, vorausgesetzt, er entschied sich dementsprechend.
Dennoch, Saffira würde kein Nein hören wollen. Konnte er ihr Sicherheit zusichern? Würde Gaborn anbieten, den Hauptmarschall zu Erwählen, wenn das einen Waffenstillstand garantierte?
Was hatte Gaborn im Herzen des Hauptmarschalls gesehen, daß er diesem Mann den Tod wünschte?
Borenson war sicher, Gaborn würde Skalbairn Erwählen, ganz gleich, welche Schandtaten er begangen hatte,
vorausgesetzt, er begriff, was auf dem Spiel stand. Die Antwort lautete ja.
»Man hat dem Erdkönig den Oberbefehl über die
Unabhängigen Ritter angeboten«, erklärte Borenson und wich der Wahrheit so aus. »Gaborn Val Orden würde den Frieden garantieren.«
»Wo befindet sich mein Gemahl jetzt?« fragte Saffira.
Borenson fiel auf, daß sie ihn nicht zum erstenmal als ›meinen Gemahl‹ bezeichnete. Diese Frau war also tatsächlich mit ihm verheiratet. Sie war tatsächlich mehr als eine Konkubine, sie war die Königin von Indhopal.
»Es ist kaum eine Stunde her, daß Raj Ahten die Übereigner im Blauen Turm getötet hat«, erklärte Borenson. »Vermutlich wird er jetzt im Eiltempo nach Carris stürmen, um Herzog Paldanes Truppen niederzumachen, die sich dort zusammengezogen haben.«
Wieder sog Saffira scharf den Atem durch die Zähne. Sie mußte erkennen, wieviel von ihr abhing. Ein ganzes Volk war ihrem Gemahl auf Gedeih und Verderb ausgeliefert wie ein überführter Missetäter, dessen Kopf auf
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