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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Wetter war es nicht geschaffen. Das Plastikrückfenster war längst trüb geworden, und obwohl das Lüftungsgebläse auf Hochtouren lief, waren auch die Seitenfenster stark beschlagen. Als er auf den elektrischen Fensterheber drückte, um das Fenster auf der Fahrerseite nach unten zu lassen und dem Wärter seinen Ausweis zu zeigen, sprühte ihm der Regen ins Gesicht.
    Hinter ihm hupte jemand, und kurz darauf noch einmal. Sein Rückspiegel war zu nichts zu gebrauchen; auch die Seitenspiegel konnte er durch die beschlagenen Fenster nicht sehen. Der Regen prasselte auf das Stoffdach. Es war wie im Innern einer Trommel. Ohne Sicht, von undurchdringlichem Regen umhüllt, musste er das Fenster ein Stück weiter herunterlassen, damit er und der Wachmann sich sehen konnten. Dadurch kam mehr Wasser nach drinnen und hatte den Stoff seines Anzugs in wenigen Sekunden durchweicht.

    Ein weiteres Hupen des ungeduldigen Idioten hinter ihm. Nachdem er sowieso schon patschnass war, hätte er gute Lust gehabt, auszusteigen und diesem Kerl die Meinung zu sagen, ihn aus seinem Auto zu zerren, ihm eine reinzuhauen und ihn in die gurgelnde braune Brühe im Rinnstein zu stoßen.
    Stattdessen blinzelte er zu dem Wärter hinaus, zückte seinen Führerschein und sagte so laut, dass er trotz des Regens gehört werden konnte: »Dismas Hardy. Ich komme einen Ihrer Insassen besuchen, Evan Scholler.«
    Der Wärter, fast unsichtbar in dem strömenden Regen, antwortete, ebenfalls laut, aus seinem halbabgeschirmten Unterstand. »Ich benötige leider einen richtigen Ausweis, Sir. Tut mir leid.«
    Inzwischen vollends auf hundertachtzig, reichte ihn Hardy durch das Fenster. Wartete. Er bekam genügend Zeit, um den Beschluss zu fassen, den Fahrer des Autos hinter ihm, sollte er noch einmal hupen, aus seinem Wagen zu ziehen. Doch dann tauchte seine Brieftasche wieder am Fenster auf, und er hörte ein knackiges: »Danke, Sir. Geradeaus und hinter dem nächsten Tor rechts.«
    Er schloss das Fenster und nahm den Fuß von der Kupplung.
    Als er vor zwei Stunden losgefahren war, war der Himmel bedeckt gewesen, aber es hatte nicht einmal getröpfelt. Deshalb hatte er weder Regenschirm noch Regenmantel mitgenommen.
    Nachdem er einen freien Parkplatz gefunden hatte, machte er den Motor aus, um zu warten, bis der Regen etwas nachließ. Und um sich wieder in den Griff zu bekommen. Der Kerl hinter ihm - wahrscheinlich irgendein Lieferant - war ihm nicht auf den Parkplatz gefolgt. War vermutlich auch besser so.

    Er musste sich wirklich zusammenreißen. Die körperlichen Reaktionen auf den geplanten Gefängnisbesuch hatten Hardy sogar schon vor dem Einsetzen des Regens überrumpelt. Es war eine Weile her, dass er einen Mandanten im Gefängnis gehabt hatte, und er war aus der Übung. Er rang immer noch um Atem, seine Handflächen waren feucht, und in seinem Bauch hatte sich ein ungewohntes Leeregefühl breitgemacht. Er schloss die Augen, ließ den Kopf nach hinten sinken und atmete durch den Mund tief ein, um anschließend bewusst auszuatmen. Das wiederholte er. Und dann noch einmal.
    Als das Prasseln des Regens endlich aufhörte, öffnete er die Augen. Plötzlich war es nur noch ein schwaches Nieseln. Er ergriff die Gelegenheit, öffnete die Tür und stieg aus.

    Hardy kannte die Zeitungsfotos von Evan Scholler, hatte ihn während des Prozesses hin und wieder im Fernsehen gesehen. Deshalb glaubte er, dass er ihn erkennen würde, wenn er ihn vor sich hätte. Doch als der Wärter die Tür des winzigen Zimmers öffnete, um den Häftling hereinzuführen, entschied Hardy nach einem ersten kurzen Blick, dass das nicht Scholler sein konnte; dem Wärter musste ein Versehen unterlaufen sein, und dieser angekettete Kerl war mit einem anderen Anwalt in einem anderen Zimmer verabredet.
    Zum einen war Evan Scholler jünger, lediglich einunddreißig; dieser Häftling sah aus wie mindestens vierzig. Zum anderen hatte Scholler auf den Zeitungsfotos und im Fernsehen wesentlich besser ausgesehen, mit einem energischeren Kinn, hellerem Haar und besserer Haut, mit breiteren Schultern und schmalerer Taille. Dieser Typ war groß und kräftig, durch Bodybuilding etwas zusätzlich aufgepumpt und physisch
einschüchternd, aber vor allem hatte er einen vollkommen leeren Blick, der seinen schmalen Mund fies, ja brutal aussehen ließ. Auf den ersten Blick sah dieser Kerl aus wie ein eiskalter Killer.
    Doch mit einem kurzen Blick auf den Zettel in seiner Hand sagte der Wärter: »Dismas Hardy?«

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