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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Ein Nicken. »Hier ist Ihr Vogel.«
    Scholler zeigte keinerlei Reaktion auf die Beleidigung. Er hatte eine Art entspannter Habachtstellung eingenommen und schien in keiner Weise interessiert, was, wenn überhaupt etwas, als Nächstes passieren würde. Er musterte Hardy, als wäre er eine Rinderhälfte in einem Kühlhaus.
    »Sie können ihm die Fesseln abnehmen«, sagte Hardy.
    Aus verständlichen Gründen trugen Gefängniswärter keine Waffen, weshalb es bei Eins-zu-eins-Situationen wie dieser Übergabe gängige Praxis war, die Häftlinge anzuketten. Hardy kannte einige Anwälte, die ihre Mandanten hier besuchten, und die meisten hatten nichts dagegen, wenn sie angekettet blieben. Ein angeketteter Häftling war ein kontrollierbarer Häftling, und bei vielen dieser Gefangenen konnte man nicht vorsichtig genug sein.
    Nach kurzem Zögern zuckte der Wärter mit den Schultern. »Wie Sie meinen.« Mit geübter Präzision öffnete er die Handschellen, die an einer Kette befestigt waren, die durch die Gürtelschlaufen von Schollers Levi’s gezogen war. Die Handschellen hingen jetzt von der Bauchkette an seinen Seiten hinab.
    Als seine Hände nicht mehr angekettet waren, rieb sich Evan Scholler die Handgelenke.
    Das Zimmer maß etwa einszwanzig auf zwei Meter. An der Wand rechts von Hardy stand ein massiver grauer Metalltisch,
der etwa zu zwei Dritteln in das Zimmer stand; im Ernstfall konnte er bei einem Überraschungsangriff als eine erste Barriere dienen. Auf beiden Seiten stand ein Klappstuhl. Hinter sich hatte Hardy eine Tür mit einem Drahtglasfenster, und ihm gegenüber befand sich eine zweite. Der Wärter, der Scholler hereingebracht hatte, hatte ihm eingeschärft, auf seiner Seite des Tisches zu bleiben, »nur zu Ihrer Sicherheit«. Außerdem hatte er ihm den kleinen Knopf unten an der Wand gezeigt, den er im Notfall drücken sollte.
    Dann sagte der Wärter: »Ich bin die ganze Zeit direkt vor der Tür.« Damit verließ er das Zimmer und schloss die Tür.
    Hardy sagte zu Evan Scholler: »Bitte, setzen Sie sich doch.«
    Evan bedankte sich und nahm Platz. Er legte seine ungefesselten Hände auf den Tisch und schaute immer noch durch Hardy hindurch, bis er seinen Blick plötzlich auf ihn richtete: »Haben Sie eine Zigarette?«
    »Leider nein. Ich rauche nicht.«
    »Ich früher auch nicht«, sagte Evan. »Echt ein Witz.«
    »Was?«
    »Nicht zu rauchen. Auf seine Ernährung zu achten. Sich fit zu halten. Dieser ganze Kram, den man draußen macht. Und dann landet man hier drinnen.« Vielleicht hatte er das Gefühl, schon zu viel von sich preisgegeben zu haben. Ob er ihn sich nun als Polizist, Soldat, Häftling oder sonst etwas angeeignet hatte, Evan Scholler hatte den Tausend-Meter-Blick richtig gut drauf und zog sich jetzt hinter ihn zurück. Nach einer Minute kam er wieder zu Hardy zurück. »Und wer sind Sie?«, fragte er.
    »Dismas Hardy, Ihr neuer Anwalt.«
    »Nehmen Sie mir das nicht krumm, aber das hat ganz schön gedauert.«

    »Tja, also, die Sache war ein bisschen kompliziert.«
    Eine kurze Pause. »Wie war Ihr Vorname gleich nochmal?«
    »Dismas. Der gute Dieb. Auf dem Kalvarienberg? Neben Jesus?«
    Evan schüttelte den Kopf. »Kenne ich nicht. Dismas, meine ich. Jesus schon.«
    Hardy sah ihm in die Augen. Wenn das Humor war, war er verdammt fein, und das wäre nicht das Schlechteste. Aber er konnte es nicht sagen. Er konnte allerdings sehen, dass sein spontaner Eindruck vom Alter seines Gegenüber falsch gewesen war - aus der Nähe sah er aus wie angegeben, einunddreißig. Schwere Jahre.
    »Was ist aus Charlie Bowen geworden?«, fragte Evan.
    »Er ist seit letzten Sommer vermisst. Für das Gericht ist das inzwischen gleichbedeutend mit tot. Meine Kanzlei hat seine Fälle geerbt, darunter auch Ihren. Das war vor vier Monaten.«
    »Lesen Sie so langsam?«
    Hardys Blick kam wieder zum Gesicht seines neuen Mandanten hoch. Der Kerl schmiedete Wörter sehr wirksam, mit kurzen Punchs darin versteckt. Zuerst ein Anflug von Humor, jetzt ein überraschender Angriff. Hinter diesen unergründlichen Augen ging eine Menge vor sich. Hardy fand, er verdiente den Rüffel - die vier Monate, in denen er überlegt hatte, ob er das Berufungsverfahren selbst übernehmen sollte oder nicht, mussten sich für ihn deutlich anders angefühlt haben als für Evan Scholler im Gefängnis.
    Doch jetzt war Hardy hier, und das war, was zählte. Evan Schollers Prozess lag fast zwei Jahre zurück. Offensichtlich war Charlie Bowen in den vierzehn

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