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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Beobachtung, und riskant, weil Sie deshalb vielleicht glauben, ich würde Ihnen Avancen machen, was diesen Abend zugegebenermaßen mehr in Richtung eines Dates rücken würde. Deshalb lassen Sie uns das ein für alle Mal vom Tisch schaffen.« Er richtete sich wieder auf. »Das ist kein Date. Ich bin viel zu alt, und was sind Sie, zweiundzwanzig?«
    »Versuchen Sie’s mit sechsundzwanzig.«
    »Na schön, ich bin achtunddreißig, das ist eindeutig zu alt. Ich könnte Ihr Vater sein.«
    Mit einem verhaltenen Lächeln trank sie von ihrem Wein. »Nur, wenn Sie ein sehr frühreifer Elfjähriger gewesen wären.«
    »War ich«, sagte er und hob seinen Cocktailspitz. »Auf frühreife Kinder.«
    Auch sie hob ihr Glas, um mit ihm anzustoßen, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne. »Ich weiß nicht, ob ich darauf trinken sollte. Ich unterrichte Elfjährige. Wenn sie noch frühreifer wären, bräuchten wir Gitter an den Fenstern.«
    Nolan behielt sein Glas da, wo es war. »Na schön, dann auf den Frieden. Ist es okay, auf den Frieden zu trinken?«
    Sie stieß mit ihm an. »Frieden ist gut. Frieden wäre sehr gut.«

    Nolan fuhr in eine Lücke auf dem Parkplatz ihrer Wohnanlage. Er machte den Motor und die Lichter aus und griff nach seinem Türgriff.
    »Sie brauchen nicht auszusteigen«, sagte sie.

    »Doch, will ich aber. In einer dunklen Nacht begleitet ein Kavalier eine Frau an die Tür.«
    »Das ist nicht nötig. Ich komme schon klar.«
    Er setzte sich zurück, dann wandte er sich ihr zu und sah sie an. »Sie versuchen bloß, diesen peinlichen ›Jetzt sind wir an der Tür‹-Moment zu umgehen. Hab schon verstanden. Sie brauchen mich nicht auf einen Drink reinzubitten. Ich werde nicht versuchen, Ihnen einen Gutenachtkuss zu geben. Auch wenn ich Sie inzwischen etwas anziehender finde als vor diesem Essen. Das war ein ausgesprochen netter Abend.«
    »Ja, auf jeden Fall.« Aber sie sagte es ohne große Begeisterung. Die Hände im Schoß verschränkt, saß sie, den Blick nach vorn gerichtet, steif und verkrampft da.
    »Was ist?«, fragte er. »Haben Sie was?«
    Sie atmete aus. »Haben Sie Evans Brief noch?«
    »Ja, Ma’am.«
    Sie rührte sich nicht. »Ich glaube, ich sollte ihn lesen. Ich sollte auch die anderen lesen.«
    »Wie Sie meinen. Er ist im Handschuhfach, direkt vor Ihnen. Bedienen Sie sich.« Er öffnete die Autotür und stieg aus. Die Nacht duftete nach Gardenien, Jasmin, Magnolien - er hatte ganz vergessen, wie schön es hier in Kalifornien im Sommer sein konnte. Er ging um das Auto herum und öffnete die Beifahrertür.
    Tara blieb noch einen Moment sitzen, dann öffnete sie das Handschuhfach, nahm den Brief heraus, schwang ihre Beine zur Seite und stieg aus. Sie sagte: »Wirklich, Ron, das ist nicht nötig. Meine Wohnung ist gleich da oben, man kann sie von hier sehen.«
    »Ja, das kann man, aber es widerstrebt mir zutiefst, Sie da allein hinaufgehen zu lassen.«

    Sie seufzte. »Na schön.«
    »Und keine Dummheiten«, sagte er. »Von Ihnen, meine ich.«
    Gegen ihren Willen erheitert, schaute sie ihn an und schüttelte den Kopf. »Ich werde versuchen, mich zu beherrschen.« Sie hielt den Brief hoch, damit er sehen konnte, dass sie ihn hatte, und drehte sich um. Er ging neben ihr her - über den Parkplatz und die Außentreppe hinauf. Sie schloss die Tür auf, öffnete sie und machte Licht. »In Sicherheit«, sagte sie. »Danke.«
    »Gern geschehen.« Er machte eine leichte Verbeugung. »Für mich war es ein wunderschöner Abend. Schlafen Sie gut.«

5
    Am Samstag nahm er sie nach San Francisco mit. Dabei handelte es sich eindeutig nicht um ein Date, erklärte er ihr, weil es am Tag stattfand und ein richtiges Date definitionsgemäß am Abend sein musste. Er holte sie um zehn Uhr dreißig vormittags ab, und mit offenem Verdeck fuhren sie in seiner Corvette auf dem Highway 280 nach San Francisco hoch, das herrlich grüne Crystal-Springs-Wasserreservoir zu ihrer Linken, und dann, ein Stück weiter nördlich, die funkelnde Weite der Bay zu ihrer Rechten.
    Sie kannte die Stadt nicht so gut wie er. Das hatte sie ihm bei ihrem gemeinsamen Abendessen erzählt, und er hatte es als Vorwand benutzt, um erneut etwas mit ihr zu unternehmen:
Sie konnte unmöglich so nahe an einer der großartigsten Städte der Welt leben und so wenig über sie wissen. Es war moralisch nicht zu verantworten.
    Deshalb besuchten sie den Palace of Fine Arts, gingen dann durch den Golden Gate Park zurück und kehrten nach einer Stunde im DeYoung

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