Schattenkampf
also heute Abend scheint mir das nicht gelungen zu sein. Was soll dieser Blick schon wieder? Hältst du es etwa für keine gute Idee, sich ein paar Drinks zu genehmigen?«
»Das habe ich nicht gesagt. Wenn du das brauchst, brauchst du es.« Sie löste seine Hand von seinem Glas und bedeckte sie mit ihrer. »Schau«, flüsterte sie, »ich kann mir nicht mal annähernd eine Vorstellung davon machen, was du durchgemacht hast. Du selbst hast gesagt, es wäre besser, wenn du nicht so viel Alkohol bräuchtest.«
»Das wäre besser. Da gebe ich dir Recht.« Trotzig griff er nach seinem Glas und nahm einen kräftigen Schluck. »Aber anscheinend ist das nicht, was jetzt gerade ansteht; das ist nämlich, alles irgendwie auf die Reihe zu kriegen.«
»Was alles?«
»Meinen Job zum Beispiel. Was mit meinen Leuten im Irak passiert ist. Warum ich noch am Leben bin. Wut. Schuldgefühle. Was weiß ich noch alles.« Er blickte halb weggetreten und mit schweren Lidern zu ihr auf. »Und damit wären wir noch nicht annähernd bei dir angekommen.«
Jeff tauchte mit Taras Cranberrysaft auf, stellte ihn vor ihr auf den Tisch und entfernte sich wieder. Stille legte sich über sie. Evan hob sein Glas, stellte es zurück. »Möchtest du mir von dir und Ron erzählen?«
»Ich bin nicht mehr mit Ron zusammen. Ich habe am Montag, nachdem du bei mir in der Schule warst, mit ihm Schluss gemacht.« Sie seufzte. »Aber dann ist er heute Nachmittag nochmal vorbeigekommen.«
»Hat wohl den Wink mit dem Zaunpfahl nicht mitgekriegt. Und, was wollte er noch?«
»Ich habe ihn nicht reingelassen. Er hat behauptet, er hätte nie gesagt, dass ich deinen Brief zerrissen hätte.«
Das nahm Evan mit einem ernsten Nicken zur Kenntnis. »Der Kerl lügt wie gedruckt.«
»Evan, sieh mich an.« Ihre Augen bohrten sich in seine. »Schwörst du mir, dass er das gesagt hat? Du hast dir das nicht ausgedacht, um ihn schlecht dastehen zu lassen? Ich weiß, es ist eigentlich unmöglich von mir, das zu fragen, aber ich muss es dich einfach ganz direkt fragen. Ich muss absolute Gewissheit haben.«
Evan legte beide Hände auf Taras Hand. »Ich schwöre es bei Gott. Ich schwöre es beim Andenken meiner gefallenen Männer. Ich habe dich nie belogen.«
Tara atmete tief und schaudernd aus, als hätte etwas, was sie gedrückt hatte, plötzlich von ihr gelassen. »Er hat auch abgestritten, dir im Krankenhaus erzählt zu haben, ich hätte gesagt, du hättest es ja nicht anders gewollt, als ich von deiner Verwundung erfuhr.«
Evan schüttelte fast bewundernd den Kopf. »Da scheint der gute Ron ja wieder zu Hochform aufgelaufen zu sein.« Er hob sein Glas und leerte es, dann fasste er über den Tisch und nahm den Drink, der vor Tara stand. »Er hat es aber gesagt.«
Sie drehte ihr Glas hin und her. »Und noch etwas hat er heute behauptet.«
»Ich kann es kaum erwarten zu hören, was das war. Habe jetzt ich jemanden umgebracht?«
Tara richtig sich ruckartig auf. »Evan, warum sagst du das?«
»Was?«
»Dass du jemanden umgebracht hast.«
»Habe ich doch nicht. Das war nur ein Witz. Was hast du denn plötzlich?«
Sie atmete schwer aus, wollte etwas sagen, bremste sich, setzte neu an. »Ron hat mir erzählt, du wärst letztes Wochenende in sein Haus eingebrochen und hättest dort ein paar Sachen versteckt, die du irgendwie aus dem Irak rausgeschmuggelt hast, damit es so aussähe, als hätte Ron dieses Ehepaar umgebracht, obwohl in Wirklichkeit du die beiden ermordet hast.«
Evans Schultern sackten nach unten. Er sank in sich zusammen. Er hob sein Glas und leerte es in einem Zug.
»Evan?«
»Dieses Schwein. Dieses dreckige Schwein.«
Tara fuhr fort: »Er hat gesagt, du hättest Granaten und Waffen, die du aus dem Irak rausgeschmuggelt hast, in seinem Haus versteckt. Und belastende Fotos in seinem Computer gespeichert.«
Evans Körper schmiegte sich in den Stuhl, auf dem er saß. Er sprach langsam, mit großem Bedacht, damit seine schwere Zunge ihn nicht verriet. »Dieser Mann, der ermordet wurde, Khalil, er war aus dem Irak. Überleg doch mal. Rons eigentlicher Job hier war …«
»Was willst du damit sagen? Ron hat hauptsächlich Sicherheitspersonal rekrutiert. Er ist …«
»Nein, hör zu. Er ist in erster Linie Söldner. Das waren seine Waffen, seine Granaten, seine Bilder.«
Tara setzte sich zurück und verschränkte die Arme. »Soll das heißen, du weißt tatsächlich etwas von dieser ganzen Geschichte? Oder über Ron?«
Er sah sie nur an, öffnete den
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