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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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ich hätte es getan.«
    »Nein, habe ich nicht. Hat er das behauptet?«
    »Ja.«
    »Dann lügt er.«
    »Das glaube ich nicht, Ron. Und was ist damit? Als du ihn im Walter Reed besucht hast, hast du ihm erzählt, ich hätte gesagt, er hätte es nicht anders gewollt?«
    Nolan senkte den Blick und schüttelte den Kopf.
    »Was?«, hakte sie nach.
    »Auch das ist nicht wahr, T. Weshalb hätte ich so etwas sagen sollen? Ich habe ihn besucht, um zu sehen, wie es ihm ging, ob er wieder gesund würde. Mehr nicht. Er ist derjenige, der nichts von dir hören wollte.«
    »So hat er es mir aber nicht erzählt.«
    »Das kann ich mir schon denken. Und woran, glaubst du, könnte das wohl liegen?«
    Durch den Türspalt sah er, wie sie die Augen schloss und den Kopf gegen die Wand neben der Tür sinken ließ. Seine Zermürbungstaktik begann zu wirken; er drang allmählich zu ihr durch. »Willst du noch etwas hören?«, sagte er schließlich.
»Etwas wirklich Beängstigendes, vor allem wenn du glaubst, dein Freund Evan wäre so brav und nett. Willst du wissen, was er in meinem Haus gelassen hat, nachdem er dort letztes Wochenende eingebrochen ist?«

    Nachdem Tara Nolan endlich hatte wegfahren sehen, ging sie ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa und legte die Füße auf den Couchtisch. Die Finger vor ihren Lippen gegeneinander spreizend, schloss sie die Augen und versuchte, ruhig und tief zu atmen. Ein Wirbelsturm aus widersprüchlichen Überlegungen und Gefühlen brachte ihren Körper buchstäblich zum Erzittern.
    Ron Nolan hatte die ganze Zeit ein falsches Spiel gespielt, aber hieß das, dass jedes Wort aus seinem Mund eine Lüge war? Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er vor ihrer Tür erscheinen oder sich zu den Lügen bekennen würde, auf denen er ihre Beziehung gegründet hatte. Vielleicht war es doch so, dass er sie liebte und lediglich einen Fehler gemacht hatte. Einen gravierenden Fehler, das ja, aber einen, den er aufrichtig bereute.
    Genauso wie den Zwischenfall mit der irakischen Familie, die er getötet hatte.
    Wie sah hier die Wahrheit aus? War es gerechtfertigt gewesen, das Feuer zu dem Zeitpunkt zu eröffnen, zu dem er das getan hatte? Und hatte er Evan tatsächlich in Sicherheit gebracht und ihm das Leben gerettet? Sie waren zahlenmäßig unterlegen und umzingelt gewesen. Wäre in dem Auto eine Bombe gewesen, hätte keiner von ihnen überlebt. Hätte sie unter diesen Umständen die gleiche Entscheidung getroffen und das Feuer eröffnet?
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie vielleicht diejenige
war, die hier ungerecht war. Ron Nolan hatte sie immer gut behandelt, sogar besser als gut. Damals in San Francisco hatte er ihr buchstäblich das Leben gerettet. Und dass er heute gekommen war, um sie um Verzeihung zu bitten - während er gleichzeitig zugab, das Unverzeihliche getan zu haben -, zeugte von einer Charakterstärke, die sie ihm nie zugetraut hätte.
    Menschen entwickelten sich, Menschen änderten sich, Menschen lernten aus ihren Fehlern. Und wenn nun stimmte, was Ron ihr über Evan erzählt hatte? Möglicherweise war auch er in Gefahr.
    Nein. Das konnte sie nicht glauben. Das war nur mehr von Rons Gift, das in sie einzudringen versuchte.
    Nachdem sie mit Evan in der Schule gesprochen hatte, wusste sie, was sie spürte - nicht nur die immer noch starke körperliche Verbundenheit, sondern auch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, das aus tiefstem Innern kam. Es war verstandesmäßig nicht zu erfassen und ganz elementar, und sie wusste, dass sie es mit niemand anderem empfinden würde.
    Doch jetzt sollte Evan sie laut Ron ebenfalls belogen haben. Ein notorischer Lügner, der einen anderen Menschen einer Lüge bezichtigte. Es war wie in der Spieltheorie, wenn »A« immer die Wahrheit sagte und »B« immer log. Wem glaubte man?
    Könnte sich Evan nur ausgedacht haben, dass Ron ihm erzählt hatte, sie hätte seinen Brief zerrissen? Oder die Begegnung im Walter Reed? Evan gab selbst zu, dass sein Erinnerungsvermögen lückenhaft gewesen war, vor allem anfangs. Könnte er sie belogen haben, ohne sich überhaupt bewusst zu sein, dass er log. Und schließlich, könnte Evan in Rons Haus
eingebrochen sein und versucht haben, ihm einen Mord anzuhängen? Einen Mord, den er selbst begangen hatte?
    Tara konnte nichts davon glauben. Sie wusste, wer Evan war. Nach all dieser Zeit und all den Problemen, die sie gehabt hatten, kannte sie ihn zuinnerst.
    Er war kein Lügner. Er war kein Mörder.
    Und das hieß, dass Ron Nolan

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