Schattenkampf
nichts mehr von ihm.«
»Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung«, sagte Hardy. »Er ist verschwunden.«
»Einfach so.«
»Offensichtlich.« Hardy spürte, wie ihm der Kamm schwoll, und beschloss, dass es Zeit wäre, Allstrong etwas auf die Zehen zu steigen, um vielleicht mehr aus ihm herauszubekommen. »Kannten Sie Charlie Bowens Frau?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Hat sie nie hier angerufen?«
»Sie könnte natürlich hier angerufen haben, obwohl ich nicht wüsste, warum. Aber wenn sie hier angerufen hat, hat sie nicht mit mir gesprochen. Wie kommen Sie darauf, ich könnte etwas über sie wissen?«
Hardy stellte seine Vermutung als Tatsache dar. »Sie nahm sich einige der Akten vor, an denen ihr Mann gearbeitet hatte, als er verschwand. Und dann, vor sechs Wochen, ich weiß nicht, ob Sie davon gehört haben, beging sie Selbstmord.«
Das war das erste Mal, dass Allstrong zögerte, dann schnalzte er mit den Lippen. »Das ist natürlich sehr bedauerlich. Weil ihr Mann sie verlassen hat?«
»Das wird allgemein angenommen, glaube ich. Allerdings gibt es auch andere Theorien.«
»Warum sie sich umgebracht hat?«
»Nicht nur warum, sondern ob überhaupt. Es gibt verschiedene
Hinweise, dass sie von jemandem umgebracht worden sein könnte, der es wie Selbstmord aussehen lassen wollte.«
»Warum könnte jemand so etwas tun? Sie umbringen, meine ich?«
»Vielleicht, weil sie etwas herausgefunden hatte, was darauf hindeutete, dass ihr Mann tot war. Und in diesem Fall wäre Charlie Bowen nicht einfach nur verschwunden. Er wurde vielleicht ebenfalls ermordet.«
»Das sind aber eine Menge Vielleichts.«
»Ja, das ist richtig. Und hier hätte ich noch eines. Vielleicht musste Bowen beseitigt werden, weil er für Scholler in Berufung gehen wollte.«
»Und von wem?«
»Von den Leuten, die Ron Nolan tatsächlich umgebracht haben.«
»Ahh.« Allstrong brachte eine Art Glucksen zustande. »Und damit wären wir wieder an dem Punkt, dass Sie nicht glauben, dass Scholler ihn umgebracht hat.«
»Richtig. Das ist meine Theorie zu den Bowens, beiden. Ich glaube, sie wurden beide ermordet, und ich glaube, die Person, die hinter diesen Morden steckt, hat auch versucht, heute Morgen im Corcoran Prison Evan Scholler umbringen zu lassen. Aber das hat nicht geklappt.« Hardy wusste nicht, ob Allstrong bereits von seinen Quellen im Gefängnis benachrichtigt worden war, und glaubte, es könnte nicht schaden, es jetzt von ihm zu hören.
Zwar deutete nichts darauf hin, dass diese Information für Allstrong mehr war, als ein weiteres unwichtiges Detail von Hardys Fall, aber die oberflächliche Wärme wich Grad um Grad aus den Stimmen der beiden Männer. Als Allstrong
wieder zu sprechen begann, war von seiner Südstaatenjovialität nichts mehr zu spüren. »Das mag ja alles hochinteressant sein, aber was soll das Ganze mit mir zu tun haben. Und wie bereits gesagt, bin ich leider nicht bereit, Ihnen dabei zu helfen, Ron Nolans Mörder aus dem Gefängnis zu holen. Wenn es also sonst etwas Konkretes gibt, womit ich Ihnen helfen kann, bitte, ich höre. Andernfalls muss ich Sie darauf hinweisen, dass ich hier auch noch anderes zu tun habe.«
»Das kann ich durchaus verstehen«, sagte Hardy. »Trotzdem dachte ich, es läge auch in Ihrem Interesse, Ron Nolans wahren Mörder zu finden. Egal, ob es Evan Scholler nun war oder nicht, nehme ich doch an, dass Sie sicher wissen möchten, wer es tatsächlich getan hat. Und alles, was Sie mir jetzt sagen können, könnte dazu beitragen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Ich stütze mich bei meinem Berufungsantrag auf Dinge, die das FBI herausgefunden, aber zum Zeitpunkt des Prozesses nicht an Evan Schollers Ankläger weitergeleitet hat. Ich nehme an, Sie wissen, was Splittergranaten sind?«
»Natürlich.«
»Dann wissen Sie vielleicht auch, dass Nolan, der damals für Sie gearbeitet hat, mehrere von diesen Dingern bei sich zu Hause hatte.«
»Hat die ihm nicht Scholler untergeschoben?«
»Nein, Sir.« Auch die nächste Unwahrheit kam Hardy mühelos über die Lippen. »Inzwischen gilt das als höchst unwahrscheinlich. Das FBI gelangte zu dem Schluss, dass Evan Scholler diese Granaten unmöglich in die Staaten hätte schaffen können, wohingegen es für Nolan ein Leichtes gewesen wäre.«
»Und warum hätte er so etwas tun sollen?«
»Weil er damit seine Spuren verwischte, wenn er jemanden umbrachte.«
Allstrong lachte schallend los, aber diesmal hörte Hardy ebenso viel Nervosität
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