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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Rest der Weinschorle.
    »Besser?«, fragte Benno und plötzlich fielen ihr wieder seine Augen auf. Blaugrau. So ernst und ein wenig traurig.
    »Ja. Irgendwie schon.« Der Schmerz hinter dem Brustbein ebbte ab. Sie merkte, dass sie tatsächlich hungrig war. Vielleicht sah sie alles zu schwarz. Vielleicht würde alles gut werden. Tom und Steffi mussten miteinander reden. Am besten, sie gönnten sich ein Wochenende allein. Und wer sagte denn, dass Steffi tatsächlich mit Sternberg im Bett gewesen war? Vielleicht war das nichts weiter als eine blöde Vermutung. »Sie haben recht. Jetzt habe ich tatsächlich Hunger.« Lena machte sich über das Essen her, das nur noch lauwarm war. Dabei bemerkte sie, wie Benno die Narbe musterte. Doch seltsamerweise konnte sie weiteressen, ohne wie sonst automatisch die Hand zu heben, um den Makel zu verbergen.
    Nach dem Essen schlug Benno vor, einen kleinen Spaziergang zu machen. Sie gingen den Uferweg entlang. Lena erinnerte sich, dass er gesagt hatte, zu Hause warte niemand auf ihn. Florian, klar, der war am See und turtelte mit Rebecca. Was war mit Petra und seiner Mutter und der Uroma? Oder hatte er damit sagen wollen, dass er einsam war, obwohl er in einem Haus voller Menschen lebte? Plötzlich tat er ihr leid.
    Schweigend gingen sie nebeneinanderher, jeder in seine Gedanken versunken, bis Benno nach der Narbe fragte, woher sie kam. Lena erzählte ihm vom Unfall und in einem Anfall von Offenheit auch von Jessicas gehässiger Bemerkung, die Narbe sei eklig und Lena werde sicher ungeküsst sterben.
    Benno blieb vor ihr stehen, betrachtete die Narbe und strich vorsichtig mit einem Finger darüber. »Ich finde sie interessant. Wie ein kleiner Wegweiser zu diesen schönen Lippen.« Sein Gesicht näherte sich ihrem. »Jessica soll nicht recht behalten, oder?« Seine Lippen berührten ihre, vorsichtig wie eine Frage. Sie fühlten sich trocken und warm an und ein wenig rau. Mit seinen Händen strich er durch ihr Haar, und ehe Lena sich versah, ließ sie zu, dass er sie küsste, als sei das ganz selbstverständlich.

13
    Es ist unmöglich. Einfach unmöglich. Was war nur in sie gefahren? Weshalb hatte sie sich von ihm küssen lassen? Von einem verheirateten Mann, der weit über vierzig war! Und noch dazu von Florians Vater. Bis gestern hatte doch Florians Anwesenheit in ihrem Bauch Schmetterlingsgefühle verursacht. Und nun? Wenn sie ehrlich zu sich war, dann waren es nun die Gedanken an Benno, die ihr schwache Knie verursachten und Hummeln in ihrem Kopf schwirren ließen. Benno. Sie hatte sich von ihm küssen lassen und es auch noch genossen. Statt sich zu wehren, ihn zu fragen, was das nun sollte, hatte sie irgendwann seinen Kuss erwidert. Wie er sie angesehen hatte … sein Finger an ihren Lippen … und erst sein Mund … so hatte sie sich das Küssen nicht vorgestellt … so … wow! Die Narbe … er fand sie schön … hatte alles Abstoßende von ihr weggeküsst … Er war so … nein, süß war er nicht. Süß waren Jungs in ihrem Alter. Er war so liebevoll und zärtlich gewesen. Er hatte sie ernst genommen, hatte ihr ewig zugehört und sie getröstet. Als gefiele sie ihm tatsächlich. Als könnte er sich wirklich in eine Sechzehnjährige verlieben. Als würde er sie schön und begehrenswert finden.
    In Lenas Kopf wirbelte alles durcheinander. Was war nur los mit ihr? Seit sie in Altenbrunn war, schien ihr Leben sich zu verändern, ihre gewohnte Welt aus den Fugen zu geraten und alles durcheinandergewirbelt zu werden. Aber das gestern war schön gewesen. Und ganz besonders. Auch wenn er ihr Vater sein könnte. Auch, wenn Tom und Steffi ausflippen würden, wenn sie das wüssten. Ob sie sich wiedersehen würden? Würde er sie dann noch einmal so küssen? Mit dieser Überlegung war das Gedankenkarussell wieder am Anfang angekommen und wollte eine weitere Runde drehen.
    »Das reicht jetzt!« Lena saß auf der Wohnzimmercouch und stieß einen Seufzer aus, der Becky, die sich zwei Päckchen Gourmetperle einverleibt hatte und nun auf Lenas Schoß schlief, zusammenzucken ließ. Schluss mit diesen seltsamen Träumereien! Als ob sich ein verheirateter Mann, der mehr als doppelt so alt war wie sie, wirklich für das Nachbarsmädchen interessieren könnte. »Das geht nicht. Oder? Was meinst du, Becky?« Die Katze öffnete ein Auge, gähnte und schloss es wieder. »Danke. Das hilft mir ungemein weiter.«
    Lena war erleichtert, dass Steffi nicht da war. Denn auch wenn die sich in der letzten Zeit

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