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Schattenkuss

Schattenkuss

Titel: Schattenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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selbst reichlich merkwürdig benahm, hätte sie doch sicher in diesem Moment gemerkt, dass ihre Tochter völlig durch den Wind war.
    Und wieder kehrten Lenas Gedanken zu Benno und ihrem ersten Kuss zurück. Sie hatten richtig rumgeknutscht, unter dieser Trauerweide am Ufer des Sees. Ein älteres Ehepaar war vorbeigegangen und hatte den Kopf geschüttelt. Trauerweide. Kein gutes Omen.
    Omas Telefon begann zu klingeln. Lena schreckte hoch. Kurz nach zehn. Vorsichtig schob sie Becky vom Schoß und ging ran. Es war Tom. Wie vorgestern. Die Familie fehlte ihm. Reichte ihm die Auszeit schon? War ja eigentlich gut. »Setz dich ins Auto. In zwei Stunden kannst du hier sein.«
    »Dann bekomme ich Ärger mit der Arbeitsagentur. Ich habe morgen einen Termin und übermorgen ein Bewerbungsgespräch. Außerdem überlege ich, ob ich mich für ein Coaching anmelde.«
    »Du fehlst uns aber auch.« Gut, Steffi höchstwahrscheinlich nicht, aber das würde sie Tom nicht auf die Nase binden. Wenn er hier wäre, könnten die beiden reden. Dann würde Steffi sich vielleicht wieder einkriegen …
    »Nächste Woche müsste es klappen. Außerdem wird Steffi ja nicht ewig damit beschäftigt sein, den Haushalt aufzulösen und den Behördenkram zu erledigen. Gib sie mir doch mal.«
    Tja, wenn Beamen funktionieren würde, dann wäre das kein Problem, dachte Lena. »Sie hat sich schon hingelegt.«
    »So früh geht sie doch sonst nicht zu Bett.«
    »Sie hat den ganzen Tag im Haus rumgewerkt, Omas Klamotten und die Zeitungsberge weggebracht. Danach war sie ziemlich fertig.«
    »Du könntest ihr ein wenig helfen.« In Toms Stimme schwang Vorwurf mit.
    Na toll! Wirklich prima! Sie log für Steffi und bekam Ärger mit Tom. Scheiß-Harmoniesucht. Weshalb sagte sie nicht einfach, wie es wirklich war? Steffi ist nicht da. Vermutlich liegt sie mit ihrem Anwalt im Bett. Der kann dann auch gleich die Scheidung regeln. Wie praktisch.
    »Klar. Mache ich«, sagte sie stattdessen.
    Sie wünschten sich eine gute Nacht. Lena setzte sich wieder zu Becky aufs Sofa und sofort kletterte die Katze zurück auf ihren Schoß. Der Schmerz wollte sich wieder hinter das Brustbein setzen. Lena dachte an Bennos Worte. Nur eine Affäre. Und sie dachte an seine Küsse. Das half. Jede Faser ihres Körpers begann auf einmal zu kribbeln.
    Die Haustür wurde aufgesperrt und fiel dann ins Schloss. Mist. Das Prickeln verschwand schlagartig. Steffi war da und Lena noch im Wohnzimmer. Eigentlich hatte sie in ihrem Zimmer sein und sich schlafend stellen wollen. Vielleicht ging Steffi ja gleich nach oben. Geräusche im Flur und in der Küche, dann Schritte vor der Tür. Sie wurde geöffnet. Steffi trat ein und ein Schwall Vorwürfe ging auf Lena nieder. »Wo warst du den ganzen Tag? Weshalb hast du auf meine Anrufe nicht reagiert? Verdammt! Ich war kurz davor, zur Polizei zu gehen, als deine SMS kam.«
    Bingo, dachte Lena. Benno war ein guter Menschenkenner.
    »Hallo Mama. Ich hoffe, du hattest auch einen schönen Tag und vor allem einen schönen Abend.«
    Steffi ließ sich neben Lena auf das Sofa fallen. Erstaunlicherweise blaffte sie nicht zurück, sondern fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Nein, ich hatte einen Scheißtag. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, ich dachte, du bist weggelaufen … Es reicht …« Steffi stützte den Kopf in die Hände. Weinte sie?
    »Mensch, Mama! Ich war doch nur am See, baden. Ich wollte alleine sein und nachdenken.«
    »Mach das nie wieder. Hörst du. Mach das nie wieder! Du weißt nicht, wie das ist, wenn ein Mensch aus deinem Leben plötzlich verschwindet. Einmal reicht.«
    Irgendwie waren Lenas Gefühle heute in eine Art Hurrikan geraten. Sie hatte nicht geahnt, dass Steffi sich solche Sorgen machen würde. Trotzdem wurde sie wütend, denn irgendwie drehte Steffi gerade alles um, gab Lena die Schuld an der schlechten Stimmung, dabei war sie schuld. »Ich war am See, und wenn du dir angeblich solche Sorgen gemacht hast, dann hättest du mich dort finden können. Außerdem lüge ich schon wieder für dich. Tom hat angerufen. Das nächste Mal erzähle ich ihm, dass du etwas mit Sternberg hast.«
    In Steffis Augen funkelte es. Der Mund verspannte sich. Sie sprang auf. »Muss ich mich vor meiner eigenen Tochter jetzt rechtfertigen?«, schrie sie. »Ich. Habe. Nichts. Mit. Sternberg.« Sie hielt inne, holte zitternd Luft. »Er hilft mir, Ulrike zu suchen. Ulrike! Ulrike! Ulrike! Seit zwanzig Jahren ist sie verschwunden und noch immer dreht

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