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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Liew
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Japanische Lehrbücher umgehen dieses dunkle Kapitel der japanischen Geschichte zum Ärger der ehemaligen Kolonien weiterhin großzügig. Frau Itos Sohn verkündete daraufhin, die Flagge sei einzig Symbol des japanischen Imperialismus, der Unterdrückung und Ausbeutung, er würde nicht aufstehen und schon gar nicht singen. Also setzte sich Frau Ito hin und redete mit ihrem Sohn – „wie Mütter das halt so machen, wenn ihre Söhne bockig werden“. Sie fürchtete nicht so sehr um ihren guten Ruf in der Nachbarschaft. Sie wollte einfach nicht, dass ihr Sohn als Japaner einzig die schlimmen Jahre der Unterdrückung in der Flagge sehe. „Ich gab ihm Recht, dass wir zu wenig über die Gräueltaten der Kriegsjahre wissen. Und dass wir nicht in die Zeiten des blinden Gehorsams zurückfallen sollen. Doch die Hinomaru symbolisiert ja nicht nur die Jahre zwischen 1870 und 1945!“
    Tatsächlich reicht ihre Geschichte bis ins Altertum zurück. Da sich alle Kaiser als Nachkommen der Sonnengöttin betrachteten, sandte schon Prinz Shotoku im 7. Jahrhundert dem chinesischem Kaiser der Sui-Dynastie seine Grüße als „Sohn des Landes der aufgehenden Sonne“. Dies ist der eigentliche Grund, warum die Sonne Japan bis heute symbolisiert. Anfangs wurde das schlichte Symbol noch in Gold gemalt, erst mit dem 13. Jahrhundert setzte sich die Farbe Rot durch. Rot mit Weiß gilt in Japan als Glück bringende Farbkombination. Bis zur Schließung des Landes Anfang des 17. Jahrhunderts verwendeten die japanischen Handelsschiffe die Hinomaru als Erkennungsflagge. Zuvor nutzten Provinzfürsten und Samurai die rote Sonne als Standarte im Kampf um die Vorherrschaft Japans. Als das Land dann Ende des 19. Jahrhunderts erneut zur Öffnung gezwungen wurde und Amerika auf eine japanische Staatsfahne drängte, griff man kurzerhand, ohne den damaligen Kaiser im fernen Kyoto zu benachrichtigen, auf die Hinomaru zurück. So wehte die „Aufgehende Sonne“ erstmals 1860 an der Seite des amerikanischen Sternenbanners am Broadway. Japan hatte nun für den internationalen Verkehr eine Flagge, ohne dies jedoch bis 1999 jemals offiziell festzulegen. 1931 sollte das Unterhaus den Beschluss des Oberhauses, die Hinomaru zur Flagge zu erheben, bestätigen. Doch die Auflösung des Parlaments kam der Bestätigung zuvor und so verbreitete die Hinomaru mit Sonnenstrahlen als Marineflagge und Flagge von Dai Nippon, dem Großreich Japan, während der Kriegsjahre eigentlich inoffiziell Angst und Schrecken. In ihrer zivilen Form ohne Strahlen sehen heute noch viele Menschen ein Symbol des japanischen Regimes der Dreißiger- und Vierzigerjahre.
    Nach 1945 kam der Gebrauch der Fahne nur zögerlich wieder auf, bis 1949 war das Flaggezeigen so gut wie ganz verboten. Trotz der neuen Gesetzeslage ab 1999 weigerten sich einige Lehrergewerkschaften und die Kommunistische Partei weiterhin, die Hinomaru als Staatsflagge anzuerkennen.
    Mittlerweile hissen beinahe alle Schulen die Fahne bei ihren Feiern. Doch ob nun wirklich jeder brav mitsingt, lässt sich nicht so einfach feststellen. Dabei ist die poetische Nationalhymne Kimigayo weltweit ein rares Beispiel an Friedlichkeit. Die Worte stammen von einem Gedicht aus dem zehnten Jahrhundert: „Gebieter, Eure Herrschaft soll dauern tausend Generationen, achttausend Generationen, bis Stein zum Felsen wird und Moos die Seiten bewächst“. Die Melodie lieferte 1880 übrigens im Rahmen der damaligen Entwicklungshilfe ein Preuße, der Militärberater und Musiker Franz Eckert.
    Wesentlich unbelasteter ist das Verhältnis der Japaner zu den Symbolen ihrer jeweiligen Präfektur. Hier gibt es nicht nur eine Präfekturflagge, sondern auch eine Präfekturblume, einen Baum, einen Vogel und obendrein einen besonderen Fisch als Stellvertreter aller Fische der jeweiligen Region. Frau Ito ist erstaunt, dass wir Deutsche nur Bundesadler und die gute alte Eiche vorweisen können. Dafür sind unsere Symbole aber älter und eure Präfekturfahnen sehen alle aus wie moderne Firmenzeichen!, denke ich trotzig. Tatsächlich bestehen die Fahnen der Präfekturen allesamt aus einem abstrakten Logo auf knalligem Hintergrund, möglichst in den Farben Orange, Hellgrün oder Braun.
    „Warum gibt es eigentlich immer und überall Maskottchen?“ Diese Frage kann ich mir dann doch nicht verkneifen. „Sogar für so ehrwürdige Veranstaltungen wie die 1 300-Jahresfeier von Nara gibt es ein schlumpfiges Figürchen. Wer hat nur diesen kleinen Manga-Mönch mit

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