Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
die Technik ist wirklich clever“, findet Frau Ito.
Das ist noch lange nicht alles: „Eine goldene Chrysantheme findet sich auch an vielen Shinto-Schreinen“, fügt Frau Ito nach kurzem Überlegen hinzu. Jetzt fallen mir auch wieder die prächtigen goldenen Chrysanthemen-Embleme am Yasukuni-Schrein ein, der berühmt-berüchtigten Verehrungsstätte Japans Gefallener. Der Kaiser gilt als ranghöchster Priester des Shintoismus, Japans ureigener Religion. Seine Urahnin ist niemand Geringeres als die Sonnengöttin Amaterasu höchst selbst. Daher tragen viele Schreine das Zeichen der Chrysantheme, auch wenn sie nicht alle direkt dem Tenno unterstehen. 3 Über den Tenno mag Frau Ito allerdings nicht so gerne sprechen. Er ist ein selbstverständlicher Teil Japans und doch ein heikles Thema. „Früher war er unsere Verbindung zu den Göttern, ihn selbst verehrten wir Japaner als Gott. Dann haben wir den Krieg verloren und der Tenno wurde laut der neuen Verfassung zum Symbol der nationalen Einheit herabgestuft.“ Damit ist das Thema für sie abgeschlossen.
Viele Japaner weichen aus, wenn die Sprache auf ihr ehemals göttliches Oberhaupt kommt. Nur rechte Gruppierungen fordern weiterhin die Rückkehr zur uneingeschränkten Monarchie. Das tun sie besonders gerne mit Hilfe umgebauter Busse in Grau. Deren Lautsprecher schmettern nicht nur markige Parolen in den Verkehr, sondern leisten auch noch mit Marschmusik unüberhörbar ihren Beitrag zum allgemeinen Lärm. Die Verfassung von 1946 legt jedoch fest, dass sich der japanische Kaiser weder politisch noch wirtschaftlich betätigen darf. Selbst die ehemals kaiserlichen Paläste gehören allesamt dem Staat. Damit wohnt der Kaiser zwar mitten im Herzen von Tokyo auf dem teuersten Grundstück der Welt, ist selbst aber nur das wohl teuerste Symbol des Landes. Jedes Jahr kostet die kaiserliche Familie, also Kaiser und Kaiserin sowie die Familie des Kronprinzen, den japanischen Steuerzahler rund 2,6 Millionen Euro ausschließlich an Unterhaltskosten. Hinzu kommen die Ausgaben im Rahmen ihrer repräsentativen Aufgaben wie Auslandsreisen und Empfänge.
Abschaffen will den Kaiser aber niemand, Rufe nach dem Ende der japanischen Monarchie verhallen in der Gesellschaft beinahe ungehört. In Umfragen geben 80 Prozent der Bevölkerung regelmäßig an, für die kaiserliche Familie Achtung und Respekt zu empfinden. Der Umgang mit Japans Royals ist jedoch sehr zurückhaltend, kein Souvenirstand verkauft hier Memorabilien wie Kaffeetassen mit dem Konterfei der Kronprinzessin oder Schlüsselanhänger mit dem Wappen des Kaisers. Dabei wünschen sich viele Japaner ein bisschen mehr kaiserliche Volksnähe, doch 1600 Jahre göttliche Verehrung auf Distanz – die Yamato-Dynastie mit Kaiser Akihito in der 125. Generation gilt als ältestes Herrscherhaus der Welt – lassen sich in wenigen Jahrzehnten ebenso wenig ausradieren wie eine plötzliche Öffnung der privaten Gemächer des Tennos erzwingen. Auch wenn die japanische Presse in den letzten Jahren immer unverblümter nach Skandalen gräbt, erfährt die Öffentlichkeit nur sehr wenig über das Alltagsleben vom Tenno-Klan. Dafür sorgen allein die über eintausend Angestellten des Kaiserlichen Hofamtes; sie lenken und beschränken sämtliche Schritte der kaiserlichen Familie. Und sollen damit die langjährigen Depressionen von Kronprinzessin Masako ausgelöst haben, obwohl Ehemann Kronprinz Naruhito und Schwiegervater Kaiser Akihito mit Kräften für ein wenig mehr Weltoffenheit eintreten. Dem Volk ist Familie Tenno weiterhin mehr Symbol als lebendiges Wesen.
Ein weitaus älteres Symbol des Landes, die schlichte rote Sonnenscheibe auf weißem Grund, ist im Land wesentlich umstrittener als der Tenno. Im Hause Ito wurde das allerdings erst zum Thema, als die Familie vor ein paar Jahren bei der Schulabschlussfeier des ältesten Sohnes die Nationalhymne vor der Fahne singen sollte. Seit 1999 die Hinomaru 4 offiziell als Nationalflagge anerkannt wurde, führte der Staat gleichzeitig die Verpflichtung der Schulen ein, bei jeder öffentlichen Zeremonie wie Eröffnung und Abschluss des Schuljahres die Fahne zu hissen und die Nationalhymne zu singen.
„Eigentlich interessierte uns die Debatte um Fahne und Hymne nicht allzu sehr“, gibt Frau Ito zu, „aber unser Sohn hat verkündet, dass er unter keinen Umständen mitsingen will.“ Sein Lieblingslehrer hatte den Schülern über die Bedeutung der Flagge in den ehemaligen Kolonien erzählt.
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