Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
kaum noch die Holzwände um sich, die uralten Bohlen unter den Füßen. Fokkes hünenhafte Gestalt verschmolz fast mit der Umgebung, und sie ahnte mehr, wohin er ging. Mehrmals stolperte sie über Taue und andere Dinge, über die sie nicht nachdenken wollte. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die ewige Dämmerung, und sie tat sich leichter. Vorsichtige Blicke nach links und rechts eröffneten ihr, dass hier die Mannschaft während der Freiwache in muffigen Hängematten schlief.
Es war beängstigend still; das typische Knarzen und Knirschen des Holzes und das Flattern der Segel, das normalerweise bis hierher durchdrang, fehlten. Das Schiff schwankte auch nicht. Auf der Cyria Rani war das ganz anders gewesen.
Laura hatte das Gefühl, über nachgiebigen Boden zu schreiten wie durch einen von Schwaden durchzogenen Sumpf.
Und noch einmal ging es hinab, immer tiefer in den Bauch der Hölle hinein. Fokke hatte schon ganz recht gehabt. Nur, dass es hier immer kälter statt wärmer wurde. Der Weg führte durch einen schmalen Gang; was sich hinter den geschlossenen Verschlägen verbergen mochte, wollte Laura nicht wissen.
Sie blinzelte, als der Kapitän eine Tür öffnete, und sie fühlte ihr Herz ein Stück weit hinabsacken, als sie das allzu vertraute Geräusch rasselnder Ketten hörte. Ihr Magen klumpte sich zusammen, und sie wartete ängstlich darauf, was der Raum ihr offenbaren würde, sobald die voluminöse Gestalt des Fliegenden Holländers ihr nicht mehr die Sicht versperrte.
Er trat beiseite, und Laura erkannte Finn. Sie hatten ihn in der Mitte des Raumes aufrecht an von der Decke herabbaumelnden Ketten gekettet. Ein winziges Bullauge spendete ein wenig Licht. Der Raum maß nicht mehr als drei mal drei Schritte; Platz genug für die ihm zugedachten Zwecke. An der linken Wand vom Eingang hingen diverse Folterinstrumente; vor allem Peitschen, aber auch Zangen, Messer, Dornenkeulen und vielerlei mehr.
Finn hing in den Ketten, sein Kopf war nach unten gesunken, die rotblonden Haare verdeckten das Gesicht. Er hatte sich von den Schlägen wohl noch nicht ganz erholt, oder Kramp hatte sich schon »ein kleines Späßchen« mit ihm erlaubt. Das Hemd war ihm heruntergerissen worden, ebenso hatte man ihm die Stiefel abgenommen, nur die Hose hatte man ihm gelassen – noch.
»Ich hätte deinen Geliebten bevorzugt.« Fokke schloss die Tür. »Aber er ist zu unpässlich und kann seinen Zweck nicht erfüllen. Andererseits bist du verantwortungsbewusst genug, dass es keine Rolle spielen dürfte.«
»Bitte tu das nicht«, flüsterte Laura. »Finn hat dir doch nichts getan und Milt auch nicht.«
»Schon möglich, aber es gefällt mir nun einmal.« Fokke prüfte die Peitschen, nahm dann eine mit einer relativ kurzen Schnur, deren Ende aufgespleißt war in sieben fingerlange Schnüre, an deren Enden kleine Dornen befestigt waren. »Ich stamme aus einem rauen Jahrhundert, in dem man diese Dinge bis zur Perfektion entwickelt hat. Das war immer viel wichtiger als genug Speisung fürs Volk durch ausgeklügelte Landwirtschaft.«
Er sah sie an. »Es liegt an dir.«
Das war eine Lüge. Egal, wie viele Fragen Laura beantwortete, sie wusste, irgendwann konnte sie keine Auskunft mehr geben, und dann würde Finn büßen müssen.
»Sag nichts, Laura.« Finns Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch er hob leicht den Kopf, und sie fing einen Blick seiner hellgrünen Augen auf. Keine Furcht lag darin und keine Schwäche. Aber eine stumme Bitte.
Er wollte, dass sie sich nicht erpressen ließ. Sie erkannte, dass er sich ganz in sich selbst zurückziehen wollte, um so wenig Schmerz wie möglich zu spüren. Offenbar war es nicht sein erstes Erlebnis dieser Art. Finn hatte schon davon gesprochen, dass er in den gefährlichsten Kriegsgebieten als Fotograf gewesen war; aber nie, dass er auch als Beteiligter unmittelbar mittendrin gewesen war.
Sie nickte ihm zu und lächelte leicht.
»Wir werden sehen.« Fokke ließ die lederne Peitschenschnur durch seine Finger gleiten. Finger, die so dick waren wie beide Daumen von Laura zusammen und die alles, was sie greifen konnten, zerquetschten. »Ich frage dich noch einmal: Was hat es mit dem fliegenden Schiff auf sich, das dir zu Hilfe gekommen ist?«
Sie presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.
Fokke holte nicht einmal besonders aus. Klatschend landete die Peitsche auf Finns bloßer Haut, und der Ire stöhnte auf. Ein roter Striemen blieb zurück.
»Ich weiß es doch
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