Schattenlord 5 - Sturm über Morgenröte
verhassten Drachenelfen, aufgerichtet und frei stehend, nur wenige Schritte vom Fenster entfernt.
Und er sah sie. Blickte ihr direkt in die Augen! Höhnisch grinste die Amazone, es gab niemanden, dessen Blick sie nicht ertragen konnte. Und Alberich konnte nicht mehr ausweichen, das Ziel war bereits fixiert.
Aber Alberich grinste ebenfalls höhnisch, obwohl er den Speer kennen musste. Es gab nur drei seiner Art, und einen davon besaß Odin Allvater. Die Söhne des Zwergs Ivaldi hatten sie gefertigt, Loki hatte Odin seinen Speer persönlich überbracht.
Für einen kurzen Moment irritiert, blinzelte Veda, verlor jedoch das Ziel nicht aus den Augen. Dann war es so weit, Blaevar senkte den Kopf, die Amazone beugte sich vor - und schleuderte den Speer, der niemals fehlging.
In Blitz und Donner schlug er ein - in eine unsichtbare Barriere vor dem Fenster - und fiel zu Boden.
Veda stieß einen ungläubigen Schrei aus.
Törichtes Weib, dachtest du, ich wüsste nicht von dem Speer? Ich habe schon vor Jahrhunderten Vorsorge getroffen.
Der Pegasus wieherte und bäumte sich auf, und dann brach er unter großem Getöse und in einer Staubwolke zusammen mit seiner fassungslosen und zornigen Herrin durch das Fenster und riss in die Mauer darum herum ein gewaltiges Loch.
Veda hustete und schlug den aufgewirbelten Staub zur Seite. Langsam bekam sie wieder klare Sicht. Sie entdeckte eine Gruppe Menschen, die sich blass in einer Ecke der Wand neben der Tür zusammendrängte und sie mit großen Augen ansah. Alle Reinblütige, sie konnte es riechen. Und sie sahen anders aus als die Menschen Innistìrs, Deochar etwa.
»Vielen Dank«, sagte ein kräftig gebauter Mann mit kurzen blonden Haaren schließlich, nachdem die Amazone nichts sagte und lediglich der Pegasus schnaubend und prustend den Kopf schüttelte. »Aber ... das wäre gar nicht mehr nötig gewesen.« Er wies auf den Eingang. »Die Tür steht offen ...«
Noch so ein Scherzbold. »Wo ist Alberich?«, schnappte sie. Er hatte ihr einen Gedanken geschickt, dann war er fort gewesen. Noch nie hatte sie eine derartige Niederlage erlitten, war dermaßen zum Gespött geworden. Und wenn sie ganz Innistìr umdrehen müsste, diese Schmach würde sie nicht auf sich sitzen lassen und bittere Rache nehmen.
Vorher war es ein Kampf um die Freiheit gewesen und die wahren Herrscher. Jetzt war es eine persönliche Angelegenheit.
»Abgehauen«, antwortete der Reinblütige. »Als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.«
Der Leibhaftige? Nun, das war sie. Für immer und ewig, bis einer von ihnen tot war, diesen Schwur leistete sie jetzt im Stillen.
»Er will Laura verstecken«, zischte ein anderer, ebenfalls blonder Mann mit dunkelgrünen Augen. Sein Gesicht trug einen verzweifelten und wütenden Ausdruck, und Veda sah, dass er an Liebe litt. Sie hatte eine Schwäche für Liebende, insbesondere, wenn sie Menschen waren.
Wer immer diese Laura war, Alberich würde bald keine Schandtat mehr begehen. Dafür würde sie sorgen. Sie streckte den Arm aus, und der Speer flog in ihre Hand.
»Aus dem Weg!«, befahl die Amazone mit mächtiger Altstimme und legte den Speer an die Seite.
Blaevar legte die Flügel an und ging ein wenig in die Knie; auch Veda musste sich ducken, damit sie unter dem Türrahmen hindurchpasste. Auf eisenharten Hufen klapperte der Hengst den Gang entlang auf der Suche nach dem Drachenelfen.
Alberich rannte in weiten Sätzen durch die Gänge Richtung Thronsaal. Diese verfluchte Amazone! Wie hatte sie ihn gefunden, wieso hatte sie die Vorgänge in der Zelle überhaupt bemerkt? Sie war doch beim Portal gebunden gewesen! Und nun stürmten die Iolair den Palast. Er konnte hören, wie Vedas Speer weitere Löcher sowohl in die magischen wie auch in die handfesten Bollwerke brach, nachdem sich eine Lücke in der Verteidigung ergeben hatte.
Aber er hörte auch seine Untergebenen, die sich mit aller Macht den Eindringlingen entgegenwarfen. Noch war nicht alles verloren, und Leonidas war auf dem Weg. Auf ihn setzte Alberich mehr als auf Fokke, denn die Reiterei der Löwen, wie sie manchmal genannt wurde, bestand aus den besten Kämpfern von ganz Innistìr. Der Holländer hingegen war besser darin, Angst und Schrecken zu verbreiten und Seelen zu rauben. Dennoch, auch seine Anwesenheit war vonnöten, und sei es nur, um die Gefangenen mit dem Schiff fortzuschaffen.
Alberich wusste, dass er die Menschen bei ihrer Suche unterstützen musste, doch ihm waren Grenzen gesetzt. Deswegen
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