Schattenlord 6 - Der gläserne Turm
Horizont, als sie die andere Seite der Brücke erreichten. Vor ihnen war nur noch ein Krii, der sich als Komiker versuchte, aber von Meroyan noch vor der ersten Pointe abgewiesen wurde. Mittlerweile hing der Krii in seinem Sessel, das Kinn in eine Hand gestützt, die Beine ausgestreckt. Er sah aus, als schliefe er fast ein.
Doch seine Augen weiteten sich, als der Komiker zur Seite trat und er entdeckte, wer hinter ihm gestanden hatte. Meroyan richtete sich in seinem Sessel auf. »Bei allen Himmelsgöttern ...«
»n’Abend«, sagte Nidi freundlich.
Der Generalunterhalter der fünften Ebene stand auf. Er war groß, weit über zwei Meter, und etwas breiter als Breynu.
»Wo hast du die gefunden?«, fragte er.
Laura beschloss, ihrem Begleiter zuvorzukommen. »Wir haben ihn gefunden«, sagte sie. »Und er war so freundlich, uns hierher zu begleiten. Er möchte uns eurer Herrscherin vorstellen.«
Meroyan ging um Laura und Nidi herum, betrachtete sie, als glaubte er, sie seien nicht echt. Es war ein unangenehmes Gefühl. »Und Ihre Majestät wird euch sicherlich gern kennenlernen.«
Er trat zur Seite und zeigte auf das offen stehende Eingangstor. »Geht hinein und wartet dort auf mich.« Dann wandte er sich den Wartenden zu. »Geht nach Hause. Ihr könnt morgen wiederkommen - wenn es sein muss.«
Zu ihrer Überraschung hörte Laura weder Murren noch Widerworte. Die Krii schienen ein sehr geduldiges Volk zu sein.
Meroyan wurde von zwei weiteren Krii begleitet, die Laura für seine Adjutanten oder Diener hielt. Sie schlossen das Tor hinter ihm, legten aber keinen Riegel vor. Es schien auch keine Wachen zu geben.
Geduldig und friedlich, dachte Laura.
Breynu rieb sich nervös die Hände. »Ich habe die Flöte noch nie von innen gesehen«, sagte er. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für eine Ehre das für mich ist.«
»Wir werden versuchen, ihr gerecht zu werden.«
Laura sah sich um. Sie standen in einem langen verspiegelten Gang. Auf dem Weg nach oben war ihr aufgefallen, dass selbst große Anwesen über durchsichtige Wände verfügten, hinter denen man die Bewohner sehen konnte. Die Krii schienen entweder keinen Sinn für Privatsphäre zu haben oder betrachteten dies als ein Privileg, das nur der Herrscherin zustand, denn die verspiegelten Wände ließen keinen Blick in die umliegenden Räume zu und die Türen waren geschlossen.
Außer ihnen standen noch vier weitere Besucher im Gang. Breynu kannte sie. »Der dahinten ist Kristallspieler der dritten Ebene«, sagte er leise, »die beiden hinter ihm sind sehr gute Witzeerzähler, dritte oder vierte Ebene, ich bin mir nicht sicher, und die Frau an der Wand ist eine begnadete Artistin. Wir sind in sehr ehrenhafter Gesellschaft.«
Laura vertraute darauf, dass sie sich nicht mit dem Können der Krii messen mussten. Meroyan hatte sie eingeladen, weil sie Fremde waren, nicht wegen ihrer Fähigkeiten.
Nidi schien das anders zu sehen. »Stör mich nicht», sagte er. »Ich muss an meinen Geschichten arbeiten. Die Herrscherin dieser wunderschönen Stadt wird bestimmt anspruchsvoller sein als ein Baum.«
Laura lächelte und ließ ihn in Ruhe.
Meroyan stand am Ende des Gangs und sah durch ein schmales, rundes Loch in der verspiegelten Tür in den Raum, der dahinter lag. Laura bemerkte die gläserne Wendeltreppe rechts neben ihm. Sie führte nach oben und unten, vielleicht sogar vom Boden des Turms bis in seine Spitze.
Meroyan drehte sich um und rief die Besucher mit einer Geste zusammen. »Ihre Majestät ist aus dem Mittagsschlaf erwacht und wird noch zurechtgemacht.«
Mittagsschlaf?, dachte Laura. Es ist doch schon fast Abend.
»Für diejenigen, die zum ersten Mal hier sind ...« Meroyans Blick richtete sich auf Laura, Breynu und Nidi. »... ein paar kurze Verhaltensregeln, die ihr euch bitte einprägt. Ihre Majestät wird mit Euer Majestät angesprochen, niemals mit Hoheit. Dieser Titel ist den Göttern Vorbehalten. Ihr redet nur, wenn ihr gefragt werdet oder wenn es Teil eurer Darbietung ist. Wenn ich winke, verlasst ihr sofort den Saal.« Er seufzte. »Und nun zum schwierigsten Teil. Die Schönheit Ihrer Majestät ist stadtbekannt, und sie ist, wie einige hier wissen, keine Übertreibung.«
Die Krii um ihn herum nickten.
»Bitte starrt sie nicht an. Ich werde jeden sofort entfernen lassen, der diese Regel bricht. Ihre Majestät mag es nicht, wenn sie angestarrt wird, und was sie nicht mag, ist auch nicht gut für uns. Habt ihr das verstanden?«
Laura
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