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Schattenlord 7 - Das blaue Mal

Titel: Schattenlord 7 - Das blaue Mal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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gerade jetzt auf die Welt zu kommen! Es hatte hier nichts zu suchen! Womöglich würde sein erster Atemzug auch der letzte sein, man würde es töten, noch während es an ihrer Nabelschnur hing ...
    Sie drückte und presste und gab ihre letzte Kraft für das Kind. Das Kind, das sie liebte. Das Teil von ihr war. Das ihr Trost sein und ihr das Schicksal als Marionette der Priesterschaft erleichtern würde.
    Ein Schrei. Einer, der nicht von ihr stammte. Er war kräftig und hörte sich auch ein wenig zornig an. So als wäre der winzige Schreihals keinesfalls damit einverstanden, in die Welt entlassen zu werden und seine warme, schützende Höhle aufgeben zu müssen.
    Shire fühlte Erleichterung - und eine seltsame Leere, die sie glauben ließ, etwas unendlich Wertvolles verloren zu haben, das sich niemals mehr wieder ersetzen ließ. Doch dieser Gedanke verlor sich rasch wieder. Er machte einem Gefühl Platz, das alle anderen verdrängte. Während sich ihr Körper entspannte und sich die Krämpfe legten, fühlte sie Liebe, die umso größer wurde, als Lirla ihr das kleine, lebendige Ding in die Arme legte und sie sein winziges Köpfchen auf ihrer Brust liegen fühlte. Irgendjemand, der vorher nicht da gewesen war, rubbelte den Körper sauber, ein anderer Irgendjemand schnitt die Nabelschnur durch. Es kümmerte sie nicht. Sie hatte nur noch Augen für ihr Baby. Sie streichelte über seinen weichen Körper, wärmte es an ihrem Leib, tastete über die Konturen seines Gesichts. Die feine Nase, der winzige Mund, die spitzen Ohren, der kleine Knubbel am Hinterkopf, der ein Erbe ihrer Familie war.
    »Laycham«, flüsterte sie, unendlich glücklich, »du wirst Laycham heißen.«
    »Eine gute Wahl«, sagte Lirla mit kalter Stimme. »Ich werde dem Hohen Priester deinen Namensvorschlag übermitteln.«
    Sie durften also beide leben! Es war niemand da, kein Scharfrichter, der ihr das Kind wegnahm und es tötete, damit die Priesterschaft der Bevölkerung »mit größtem Bedauern« mitteilen konnte, dass die über alle Maßen geliebte Erste Gesandte eine Totgeburt erlitten hätte.
    Weitere Dienerinnen betraten den Raum. Sie kümmerten sich um Shire, badeten den kleinen Regentensohn, reinigten die Räumlichkeiten. Sie taten dies in vollkommener Stille, als hätte ihnen jemand ein Schweigegelübde abverlangt.
    Dienerinnen! Trotz ihrer Mattheit fühlte Shire unbändigen Zorn in sich aufwallen. Die Stadt Dar Anuin, wie sie sie kannte, existierte nicht mehr. Früher waren alle Bewohner gleich gewesen. Es hatte keinen Standesdünkel gegeben, und die Angehörigen anderer Völker hatten sich den Elfen gleichberechtigt fühlen dürfen. Doch die Priesterschaft hatte ältere, üble Sitten wieder eingeführt. Trollköpfe, Bestinakken, Huischen und Angehörige anderer fremder Sippen waren der Stadt verwiesen worden, einige wenige in mindere Arbeiten gezwungen worden.
    Shire hatte allen Grund, sich über die Priester aufzuregen; doch viel schlimmer war das Gefühl, auf ganzer Linie versagt zu haben. Denn die Angehörigen elfischen Hochadels, allen voran die d’Haags, hatten sich allzu leicht von Maletorrex verleiten lassen und waren in alte Denkschienen zurückgefallen.
    Eine Dienerin reichte ihr Laycham zurück. Er duftete nach Zitruswasser, seine Haut war rosig, die Lippen weit geöffnet, als röche er die Nähe seiner Mutter. Shire setzte ihn an einer Brust an und ließ ihn trinken. Sie war so unendlich glücklich - und so unendlich traurig.

15
    Ein Gespräch
    und ein Grog
     
    P rinz Laycham entzündete das Kerzenlicht an mehreren Kandelabern, nahm die Tücher von zwei bequem wirkenden Sitzmöbeln, entfachte ein kleines Feuer im Kamin, zauberte von irgendwoher eine staubige Flasche und zwei Kristallgläser herbei und ließ sich dann gegenüber von Zoe nieder.
    »Warum so schweigsam, Gesandte?«, fragte er.
    »Diese Frage sollte eigentlich ich dir stellen.« In ihr kämpften widersprüchliche Gefühle. Ihr Herz klopfte laut und falsch, der Situation keinesfalls angepasst. Sie fühlte keinerlei Angst. Da waren nur Nervosität und Anspannung.
    »Ich denke, dass ich alles Recht der Welt habe, über dein unerlaubtes Eindringen verärgert zu sein. Dies ist mein kleines Reich. Meine Behausung. Das, was mir geblieben ist, nachdem ...« Laycham brach ab. Er faltete die Hände vor seinem Maskengesicht wie zum Gebet zusammen und legte die Kinnspitze darauf.
    Unvermittelt erhob er sich. Er öffnete die Flasche und schenkte in beide Gläser ein. Dunkelrote

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