Schattenmenagerie
kann ich jetzt nicht helfen, ich verlier sonst zu viel Zeit. Ich muss hier raus.
Vielleicht erwische ich den Diabelli noch. – Hier an den Eisenhaken kann ich mich
hochhangeln.
So, endlich oben. Der Brunnen befindet
sich in einem überdachten Schuppen, angelehnt an ein Fachwerkhaus. – Das ist doch
die Behausung des Pächters auf der Fasaneninsel. – Da hinten! Ist das nicht das
Geräusch eines Motorboots? – Tatsache. – Der Kerl entwischt mir. – Verdammt, daran
hätte ich denken müssen. Micha hatte mir von einem unterirdischen Gang zwischen
dem Schloss und der Insel erzählt. Aber ich hab das als Kinderfantasie abgetan.
Zuerst muss ich dafür sorgen, dass
Dorndorf den See großräumig absperrt und mir ein Boot der Wasserschutzpolizei schickt.
– Und Hopfinger soll sofort mit den Kollegen von der Spurensicherung kommen. Die
Leiche im Brunnenschacht riecht verdammt nach Mord.
Kapitel 24: Ausklang
Bei dem Toten im Brunnen handelte es sich um den schon seit Tagen vermissten
Romanowsky. Er muss schon länger als 24 Stunden im Grundwasser gelegen haben. Tod
durch Ertrinken. Von der Existenz des unterirdischen Ganges hatte er offensichtlich
keine Ahnung. In seinen Aufzeichnungen beschreibt er minutiös die unendlich vielen
Gänge und Schleichwege im Schloss. Aber von den Kellerkatakomben und dem Gang kein
Wort.
Die polizeiliche Untersuchung ergab,
dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit über den Brunnenrand gefallen war. Hautabschürfungen
deuteten darauf hin. Die Möglichkeit, dass er sich aus irgendeinem Grunde zu weit
über die Einfassung gebeugt hatte und unglücklich hinuntergestürzt war, schloss
der Inspektor aus.
Auf seinem von heftigstem Schmerz
entstellten Gesicht prangte eine fürchterliche Wunde. In Form eines Doppelkreuzes.
Jemand muss ihm kurz vor seinem Tod das Brandeisen, das man bei der Durchsuchung
der Kellerräume im Schloss fand, ins lebendige Antlitz gestoßen und den vor Schmerz
fast Besinnungslosen mit Gewalt hinuntergeworfen haben.
Mord. Und eigentlich kam nur Diabelli
als Täter infrage. Nur der hatte Zugang zu dem Brandeisen, auf dem überdies die
gleichen Fingerabdrücke sichergestellt wurden wie auf dem Glas, das der Flüchtige
am Abend in der Hand hielt. Kroll sah es als Ironie des Schicksals an, dass ausgerechnet
diese letzte Tat den ersehnten stichfesten Beweis erbrachte. Alles andere, was er
am gestrigen Abend vorgetragen hatte, waren, das wusste er genau, nichts als vage
Indizien, baute im Grunde genommen nur auf Bluff.
Aber was war das Motiv? Welches
Interesse konnte der Schlossverwalter an dem Tod des Pächters gehabt haben? Die
beiden waren Komplizen, das stand fest. Wahrscheinlich wollte sich Diabelli seines
Mitwissers entledigen.
Die Ringfahndung nach ihm verlief
ergebnislos. Er musste sich rechtzeitig ins Ausland abgesetzt haben. Kroll beschloss,
über Interpol die Nachforschungen in seiner angeblichen Heimat, den rumänischen
Karpaten, fortzusetzen. Große Hoffnungen hegte er jedoch nicht angesichts der dortigen
korrupten Verhältnisse und der undurchdringlichen Gebirgswälder.
Auch Caoba blieb seither verschollen.
Angeblich will sie ein Hafenarbeiter in Travemünde gesehen haben, als sie sich auf
eine Fähre nach Schweden einschmuggeln wollte. Aber Genaueres war nicht mehr zu
rekonstruieren. Merkwürdigerweise fehlte auch eines ihrer Pferde, der Russische
Traber, im Stall der Alten Schäferei.
Beide, Ross und Reiter, hatten sich
im Nebel der Geschichte verloren, wie einst der Schimmelreiter.
Ihren Pflegeeltern ging der Verlust
sehr nahe. Verbittert und vergrämt verbrachten sie einsam ihre Zeit in der Alten
Schäferei, bis diese eines Tages einem verheerenden Feuer zum Opfer fiel. Sie brannte
bis auf die Mauern nieder und wurde nicht wieder rekonstruiert. Es war die zweite
Brandkatastrophe, die das Leben der Kriebgans’ verändern sollte. Sie zogen an die
Nordsee. Auf eine Hallig, meinte ein Nachbar. Dort, wo das Wasser, nicht das Feuer
als Elementargewalt herrschte.
Der Jungherzog und die Gräfin von
Bülow bildeten ein perfektes Paar. Seine Eleganz, sein Lebensstil und sein Reichtum
strahlten über Eutin hinaus. Dem Hause derer zu Altenburg schien eine helle Zukunft
beschert. Die Güter wurden zusammengelegt. Dem finanziellen Aufschwung stand nichts
mehr im Wege. – Wenigstens nicht mehr die Sorge um eine nicht standesgemäße Liaison,
wie die Herzogin meinte.
Von Barbaras dunkler Herkunft aus
dem abgebrannten Lübecker Asylantenheim in der Hafenstraße
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