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Schattennaechte

Schattennaechte

Titel: Schattennaechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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sah sich das Durcheinander an, das sie angerichtet hatte, die umgekippten Schubladen, die auf dem Boden liegende Matratze, aus der die Füllung quoll. Sie hatte das Bett auseinandergenommen, daruntergeschaut, dahintergeschaut. Nichts.
    Wo würde ein Mann wie Ballencoa etwas verstecken? Wenn sie wenigstens wüsste, was es war. Da seine Taten sexuell motiviert waren, vermutete sie, dass er Souvenirs von seinen Opfern oder Fotos in seinem Schlafzimmer aufbewahrte – der privateste, intimste Raum, in dem er sich damit amüsieren konnte. Die Sachen mussten versteckt sein, aber gleichzeitig leicht zu erreichen – schnell hervorzuholen und im Notfall schnell wieder zu verbergen.
    Sie hatte alles abgesucht, was sich auf Augenhöhe und darunter befand – ihrer Augenhöhe. Roland Ballencoa war fast ein Meter neunzig groß. Mit ausgestrecktem Arm würde er leicht auf eine Höhe von zwei Metern zwanzig oder zwei Metern vierzig kommen.
    Sie sah sich um, entdeckte das Gitter zum Lüftungsschacht, schöpfte neue Hoffnung. Sie stieg auf einen Stuhl und hebelte mit ihrem Schraubenzieher die Abdeckung weg. Nichts.
    Sie drehte sich einmal um die eigene Achse und wollte schon beinahe aufgeben, da sah sie plötzlich ein altmodisches elektrisches Heizgerät, das an die Wand montiert war. Ein hoher schmaler Kasten aus hässlichem eingedelltem Metall, das in derselben Farbe wie die Wand gestrichen war, Rost überzog die Dellen wie getrockneter Schorf. Der Thermostatknopf fehlte. Das Ding sah aus, als würde es schon seit Jahren nicht mehr funktionieren.
    Lauren starrte auf die Schrauben. Alte Schrauben, die mindestens ein halbes Dutzend Mal überstrichen worden waren. Das konnte man daran erkennen, dass die Farbe zum Teil abgeplatzt war. Oder von einem Schraubenzieher abgekratzt. Vor nicht allzu langer Zeit. Er hatte einen Fehler begangen. Endlich. Die Schrauben saßen locker. Sie ließen sich leicht entfernen, und dann konnte man die vordere Abdeckung aufklappen.
    Laurens Herz fing an zu rasen. Hinter den alten Heizschlangen waren mehrere Notizbücher eingeklemmt, vier in Leder gebundene Bücher, von denen jedes mit einem Datum beschriftet war.
    Angst erfasste Lauren, als sie nach dem griff, auf dem in fein säuberlicher Handschrift Oktober 1985 – Oktober 1986 geschrieben stand.
    Mit zitternden Händen schlug sie es auf. Über der ersten Seite stand das Datum: 1. Oktober 1985. Auf den ersten Blick sah es wie ein etwas merkwürdiges Adressverzeichnis aus, die Einträge in einer präzisen, eckigen Handschrift verfasst.
    Angela Robeson: 11711 Moreland Drive, 17, Santa Barbara Highschool. Geländelauf. Blond, dünn, schmale Hüften. 1,70 m. Zu jungenhaft. Körper: 6. Risiko: 7.
    Stacey Connors: 18, San Marcos Highschool. Volleyball, Beachvolleyball. Grüne Augen. Grübchen. Kokett. Promisk? Winziges Bikinioberteil. Lebt bei alleinerziehender Mutter. 759 West Mesa. Telefonnummer: 805-555-7656. Körper: 9. Risiko: 3.
    Della Rosario: Kellnerin, Taco Lando. 1,60 m. Große Brüste. Dekolletee. Kurzer Rock. Zu klein. Zu mexikanisch. Körper: 7. Risiko: 2.
    Und so ging es immer weiter, Seite um Seite, dazwischen sorgfältig gezeichnete Karten und Aufrisse von Häusern.
    Lauren stellten sich die Nackenhaare auf. Als ihr klar wurde, was dieses Buch darstellte, hätte sie es beinahe in die Ecke geworfen: Es war ein Katalog mit allen Mädchen, denen Ballencoa begegnet war, mit seinem Eindruck von ihnen, den Details, die er über sie in Erfahrung gebracht hatte. Frauen und Mädchen, die er beobachtet, studiert und verfolgt hatte. Er wusste, wo und mit wem sie lebten, kannte den Tagesablauf der Familien.
    Sie blätterte zu den Einträgen vom April 1986 vor, und das Blut gefror ihr in den Adern.
    Leslie Lawton: 15, 1,70 m, lange dunkle Haare, lange Beine, grazil. 12707 Via De La Valle. Softball, Tennis. Sexy. Kokett. Frech. Kussmund …
    Die Schrift verschwamm vor ihren Augen. Beinahe musste sie sich übergeben. Das war der Blick eines Vergewaltigers auf ihr Kind. Was ihm gefiel, was nicht. Leah wurde erwähnt, Lance am Spielfeldrand bei einem Softballspiel. Er stufte sie mit einem Risiko von 7 ein und merkte an, dass sie zu Hause offenbar viele Freiheiten genoss.
    Leslie war eine junge Frau von sechzehn Jahren gewesen. Lauren und Lance hatten ihr tatsächlich viele Freiheiten gelassen und entsprechend Verantwortung übertragen. Leslie hatte ihnen immer gesagt, wohin sie ging und in wessen Begleitung. Erst kurz vor ihrer Entführung hatte sie

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