Schattennaechte
Türgriffs war eine Glasscheibe eingeschlagen worden.
Am liebsten wäre er hineingegangen. Es gab Anzeichen für ein Verbrechen. Er könnte behaupten, dass er um das Wohl des Bewohners besorgt war. Bei Gefahr in Verzug musste er keinen Durchsuchungsbeschluss abwarten …
Doch ein geschickter Verteidiger konnte aus seinem hinreichenden Verdacht ein halbes Dutzend Verstöße gegen den vierten Zusatzartikel konstruieren.
Er ging zurück zu seinem Auto und fuhr zum Büro des Sheriffs.
Tanner und Hicks gingen im Besprechungsraum immer noch alte Einbruchmeldungen durch.
Tanner blickte auf. »Und, haben Sie ihr ordentlich die Meinung gegeigt?«
»Ich habe sie nicht gefunden.«
Sie bemerkte, dass er beunruhigt war, und runzelte die Stirn. »Vielleicht ist sie irgendwo mit ihrer Tochter unterwegs.«
»Ja, vielleicht«, sagte er, ging zur Tafel und starrte sie an, als könnte wie von unsichtbarer Hand eine Botschaft darauf erscheinen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Tanner.
Er schwitzte. Ihm war leicht übel. Das Adrenalin.
»Jemand ist bei Ballencoa eingebrochen«, sagte er.
»Oh.«
»Ich kann Lauren nirgends finden. Sie ist nicht zu Hause. Ich bin bei Ballencoa vorbeigefahren. Er war nicht da, aber auf der Rückseite seines Hauses war ein Fenster eingeschlagen, das Schlafzimmerfenster stand offen, und das Zimmer war verwüstet. Ich hab reingesehen.«
»Scheiße«, murmelte Hicks.
»Ich nehme an, dieses Mal wollte sie nicht auf einen Gerichtsbeschluss warten«, sagte Tanner.
Hicks stand auf. »Ich sag in der Zentrale Bescheid, dass sie eine Fahndung nach ihrem Auto rausgeben.«
Mendez betrachtete die Zeitleiste für die vergangene Woche, beginnend mit dem Tag, an dem Lauren Lawton versucht hatte, ihn mit ihrem Einkaufswagen über den Haufen zu fahren. Er hatte ihren nächtlichen Anruf, nachdem sie das Foto an der Windschutzscheibe ihres Autos entdeckt hatte, eingetragen. Das Foto, auf dem sie beim Verlassen der Schießanlage zu sehen war.
Am Tag darauf hatten er und Hicks mit Ballencoa gesprochen. Ballencoa hatte behauptet, er wüsste nicht, dass Lauren in Oak Knoll war. Sie hatten ihm nicht geglaubt, weil Lauren es so dargestellt hatte, als wäre Ballencoa ihr nach Oak Knoll gefolgt. Einen Tag später musste Lauren die Nachricht in ihrem Briefkasten gefunden haben: Hast du mich vermisst?
Tanner beobachtete ihn aufmerksam. Sie stand auf, kam um den Tisch herum und stellte sich neben ihn. Sie studierte die Zeitleiste, so wie er es tat, aber sie sah er nicht.
Sie blickte ihn an. »Was ist?«
»Wenn Lauren Ballencoa hierher gefolgt ist und nicht andersherum, woher wusste er dann, wo sie wohnt, um das Foto an ihrem Auto zu hinterlassen?«
48
Lauren folgte Ballencoa zu einem Supermarkt in der Nähe des Colleges, wo er anhielt, ausstieg und von einem Münztelefon neben dem Gebäude aus telefonierte.
Wen rief er an? Warum tat er das nicht von zu Hause aus?
Sie versuchte, sich daran zu erinnern, ob sie in seinem Haus ein Telefon gesehen hatte. Natürlich musste da eines gewesen sein. Man schrieb das Jahr 1990, wer hatte da kein Telefon? Warum also benutzte er ein Münztelefon?
Vermutlich, weil er ein Krimineller war. Ein Anruf von einem Münztelefon ließ sich nicht zu ihm zurückverfolgen. Es gab keine Anruflisten, die eine Verbindung zu ihm oder seinem Haus herstellten.
Aber wen rief jemand wie Roland Ballencoa überhaupt an? Er hatte keine Freunde. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er eine Familie hatte, obwohl er natürlich eine haben musste. Es hätte sie zwar nicht gewundert, wenn er aus einem Schlangenei gekrochen wäre, aber sie wusste, dass er einmal eine Mutter gehabt hatte. Sie wusste, dass ihn eine Tante großgezogen hatte, die später unter mysteriösen Umständen gestorben war.
Lauren hatte den Bericht in der Zeitung gelesen, als Ballencoa nach dem Verschwinden ihrer Tochter ins Visier der Polizei in Santa Barbara geraten war. Sie hatte versucht, so viel wie möglich über ihn in Erfahrung zu bringen, und dabei war sie in der Mikrofiche-Abteilung der Bibliothek auf einige alte Zeitungsartikel gestoßen. Sie erinnerte sich an die Schlagzeile: NEFFE IM ZUSAMMENHANG MIT UNGEKLÄRTEM TODESFALL VERNOMMEN .
Ballencoa war gerade erst aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen seiner ersten Sexualstraftat eingesessen hatte. Er war vernommen worden, aber es war nichts dabei herausgekommen. Wahrscheinlich war das sein erster Mord gewesen. Und er war nicht nur damit davongekommen, er hatte
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