Schattennetz
Bemerkung gemacht hat, dass das Handy nicht zu finden sei.«
»Hat sie das gesagt?«, staunte Linkohr.
»Wir haben sie ja auch nicht danach gefragt. Auch das könnten Sie noch tun.«
»Wenn man dies so sieht«, knüpfte Linkohr an die Schlussfolgerungen des Chefs an, »dann sind wir womöglich bisher von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Wir haben immer jemanden gesucht, der Interesse daran hatte, Simbach und Czarnitz zu beseitigen. Wenn aber Czarnitz auf der Suche nach dem Handy nur zufällig umgekommen ist, weil er die elektrischen Manipulationen nicht kannte und gerade den Glockenstuhl berührt hat, als die Gebetsglocken läuteten, dann ergibt das ein ganz anderes Bild.«
Häberle nickte. »Wir haben bisher einen Mörder gesucht, der gleich drei Menschen auf dem Gewissen hat – und seit heut Nacht beinahe fünf. Aber …« Er sah Linkohr direkt ins Gesicht. »Vielleicht hat das alles nur einer einzigen Person gegolten.«
»Simbach«, versuchte Linkohr, Häberles Gedanken nachzuvollziehen.
»Wer weiß«, sagte dieser nur. Wie immer gab er seine Überlegungen nicht vorschnell preis. Dies würde die Ermittlungen des gesamten Teams sofort nur noch in diese eine Richtung lenken. Stattdessen war es sinnvoller, auch andere Möglichkeiten weiterhin zu verfolgen. Häberle war keinesfalls so kühn zu behaupten, er läge jedes Mal richtig. Es gab auch schon einen Fall, da kam die wirkliche Wahrheit sogar erst einen Tag vor der Urteilsverkündung beim Landgericht an den Tag. Dennoch wagte er erneut seine Prognose, mit der er schon bei der Pressekonferenz hat aufhorchen lassen: »Kollege, bis Sonntag wissen wir mehr.« Er hob das Weizenbierglas und trank es aus.
Die Kollegen der Sonderkommission hatten inzwischen eifrig telefoniert und die Adressen von Oehme und Kissling ausfindig gemacht. Häberle war zufrieden und ließ sich die Aufschriebe geben. Linkohr versprach, sich um den Vodafone-Techniker und die Frauen zu kümmern. Dann zog sich Häberle in sein Büro zurück, um Anton Simbach auf dessen Handy anzurufen. Eine Männerstimme meldete sich mit knappem »Ja.«
»Sind Sie das, Herr Simbach?«, fragte Häberle.
»Am Apparat«, kam es unwirsch zurück.
»Häberle hier. Kriminalpolizei Göppingen. Wir haben gestern bereits miteinander telefoniert.« Keine Antwort. Der Kriminalist fuhr fort: »Wir sollten uns dringend treffen.«
»Das haben Sie bereits gestern gesagt.«
Kotzbrocken, dachte Häberle und sagte: »Ich werd morgen Nachmittag bei Ihnen sein. Gegen 15 Uhr. Ich ruf Sie eine Stunde vorher an.«
»Ich kann mir zwar kaum vorstellen, was dieser Aufwand bringen soll«, sächselte es aus dem Hörer. »Aber Sie werden schon wissen, was Sie tun.«
Häberle ging nicht darauf ein, sondern zog seinen zerknüllten Zettel aus der Jackentasche. »Und falls Sie heute noch Ihre Freunde anrufen … den Herrn Oehme und den Herrn Kissling, dann richten Sie ihnen bitte aus, dass ich sie auch gern gesprochen hätte. Vielleicht kann mir ja der Herr Oehme ein Stück entgegenkommen – auf halber Strecke oder so. Vielleicht Leipzig mit dem ICE. Er kann sich das ja mal überlegen. Aber vielleicht ist er gerade bei Ihnen.« Häberle hatte so schnell und laut gesprochen, dass Anton Simbach keine Chance hatte, ihn zu unterbrechen.
Und jetzt war Stille in der Leitung. Häberle befürchtete für einen Moment, Simbach könnte aufgelegt haben. Doch es schien ihm nur die Sprache verschlagen zu haben – und das musste bei einem vor Selbstbewusstsein strotzenden Kerl etwas bedeuten, dachte der Chefermittler. »Hallo, sind Sie noch dran?«, erkundigte er sich freundlich.
»Ja, ja«, kam es ärgerlich zurück. »Sie sollten Ihre Möglichkeiten mal nicht überschätzen.«
Häberle überlegte, was diese Bemerkung bedeuten konnte. »Ich könnte Sie auch alle zu meinen Kollegen ins Landeskriminalamt vorladen lassen«, gab er drohend zurück, ohne zu wissen, welchen bürokratischen Aufwand dies wiederum bedeutet hätte.
»Sie sollten nicht übers Ziel hinausschießen«, sagte Simbach jetzt wieder ruhiger. »Wenn Sie ehrbare Bürger in eine Sache reinziehen, nur weil wir mal einem Staat gedient haben, den es leider Gottes nicht mehr gibt, dann sollten Sie sich auch an die geltenden Gesetze der BRD halten. Wir haben nichts getan, was strafbar gewesen wäre.« Er betonte BRD so, wie dies früher Honecker immer getan hatte – oberflächlich schnell.
»Sie brauchen mich da nicht zu belehren«, knurrte Häberle und war bereits im
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