Schattennetz
gehört?«
»Nein«, bestätigte Faller. »Aber das, was ich Ihnen gesagt habe, kommt nicht an die Öffentlichkeit?« Es sollte eine Bitte sein, klang aber wie eine Aufforderung.
»Keine Sorge.«
»Ich weiß ja nicht, was Sie von dieser Sache in Hohenschönhausen wissen. Ich hab im Internet recherchiert, nachdem man in der Stadt so einiges munkelt – dass beide, Simbach und Korfus, damit etwas zu tun hätten. Und dass Frau Korfus mal drüben eingesperrt war. Ich weiß nicht, ob man das öffentlich sagen darf.«
»Darf man. Das stand damals sogar bei uns in der Zeitung. Allerdings hat Frau Korfus damals noch Lechner geheißen.«
Faller sah den Chefermittler ein paar Sekunden an, zögerte kurz, erklärte dann aber: »Wissen Sie, die Leute, die hinter allem stecken, scheinen sehr gut informiert zu sein. Der Anrufer hat noch was gesagt, das Sie aber ganz diskret behandeln sollten. Er hat … nun ja …« Faller verzog sein Gesicht zu einem süffisanten Lächeln. »Wir Männer tun manchmal Dinge, die nach außen hin schlimmer aussehen, als sie sind. Aber dieser Anrufer glaubt auch, mich damit erpressen zu können. Er behauptet, ich hätt ein Verhältnis mit Sabrina Simbach.« Jetzt war es raus. »Und er würde dies meiner Frau sagen, falls ich zur Polizei gehe.«
Häberle sah ihn mitleidig an. Wie oft hatte er in seinem Berufsleben solche oder ähnliche Aussagen gehört? Wie viele Männer waren durch ein schnelles Abenteuer in so eine Situation geraten?
»Und …«, fragte Häberle zaghaft nach, »ist denn was dran an dieser Behauptung?«
Faller zuckte mit einer Wange. »Wir haben uns ein-, zweimal getroffen. Nichts weiter. Jedenfalls nicht so, wie es der Anrufer zu wissen glaubt.«
Häberle sagte nichts. Offenbar war Sabrina Simbach eine begehrte Frau. Bisher schien nur ihr Mann im Wege gestanden zu sein. Aber dieses Problem hatte sich nun im Kirchturm erledigt.
Liliane Korfus ist wirklich hübsch, dachte Linkohr. Aber schätzungsweise 10 Jahre älter als er selbst, rechnete er nach. Nun saß sie ihm gegenüber, die Beine wieder übereinander geschlagen und offenbar entschlossen, ihm etwas anzuvertrauen.
»Es gibt noch etwas, ja«, sagte sie. »Etwas, das in all den Jahren zwischen Torsten und Alexander gestanden ist.« Sie schien zu überlegen, wie sie es erklären sollte. Linkohr ließ ihr Zeit und ließ seinen Blick unauffällig, wie er meinte, auf ihre Knie gleiten, dann aber war es ihm peinlich, als sie es bemerkte.
»Um es kurz zu machen. Alexanders Bruder Anton war es, der mich damals festgenommen hat.«
Linkohr war für einen Moment perplex. Da hatten sich also Opfer und Täter wieder getroffen, hier in der Provinz. »Anton Simbach hat Sie damals festgenommen?«
»Ja. Ich hab das Schwein sofort wieder erkannt, als er mal mit Alexander hier in Geislingen aufgetaucht ist – vor drei, vier Jahren beim Stadtfest.« Ihre Stimme zitterte. »Torsten und ich – wir sind beim ›Hock‹ durch die Fußgängerzone gegangen, wie man das immer so tut – da standen die beiden plötzlich mit ihren Frauen vor uns. Ich war wie gelähmt, das dürfen Sie mir glauben. Diese Augen, diese Fratze – ich hab sie in all den Jahren nicht vergessen. Und wie er mich dann mit seinem sächsischen Dialekt begrüßt hat, war mir vollends alles klar.« Aus Liliane sprudelten die Worte jetzt nur so heraus. »Dieser alte Stasibonze treibt sich ungestraft hier rum. Ihm ist aber, so denk ich, überhaupt nicht klar geworden, wer ich bin. Kein Wunder, er hat damals sicher hunderte Frauen erniedrigt. Aber ich hab mir sein Gesicht eingeprägt.«
Linkohr sah in ihre blitzenden Augen. Hass und Zorn las er daraus. Aber auch bittere Enttäuschung.
»Ich bin einfach weggerannt und in der Menge untergetaucht.« Sie überlegte. »Anstatt ihm vor aller Öffentlichkeit eine runterzuhauen. Dieses Schwein hat mich nicht nur festgenommen, sondern dann auch wochenlang verhört und mir jedes Wort im Munde rumgedreht. Einmal hab ich es gewagt, auf meinem Arme-Sünder-Schemel zu widersprechen, da hat er mir zwei Tage Dunkelhaft verpasst. Zwei Tage in einer stockfinstren Zelle. Wissen Sie, wie das ist? Ohne Uhr. Sie haben keine Ahnung, wie viel Zeit vergeht.« Liliane schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf, als wolle sie dieses Trauma endlich loswerden. »Stockfinster. Ohne Zeitgefühl und mit der Angst, dass sie einen womöglich verhungern lassen. Kein Bett, kein Stuhl. Nur blanker Betonboden.« Sie kämpfte mit den Tränen. »Und einmal
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