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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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haben Sie bei einer informatorischen Vernehmung gesagt, dass Sie während des Spielens gestört worden seien.« Häberle hatte dies dem Bericht eines Mitglieds der Sonderkommission entnommen.
    »So ist es. Herr Faller ist zu mir raufgekommen und wollte sich mit mir über diese dumme Sache zwischen Simbach und Korfus unterhalten.« Er verzog verärgert das Gesicht. »Es war der denkbar ungünstigste Augenblick. Ich war gerade mittendrin im Spiel.«
    Frau Stumper, schlank und für Häberles Begriffe in heimischer Umgebung sehr fein gekleidet, zupfte sich im schneeweißen Haar und lächelte: »Sie müssen wissen, es war erst der zweite Übungsnachmittag für dieses Stück. Da lässt man sich nur ungern stören.« Linkohr schloss aus dieser Bemerkung, dass auch sie musikalisch war.
    »Ja«, fuhr Stumper fort, »er wollte unbedingt, dass ich ihn bei dem Runden Tisch unterstütze, der für den Abend vorgesehen war. Ich hab ihm aber deutlich gemacht, dass ich mich aus den ganzen Querelen raushalten wolle. Deshalb dürfen Sie mich jetzt auch nicht fragen, worum es überhaupt gegangen ist. Das hat mich nicht interessiert.«
    »Herrn Faller aber schon?«
    »Er ist immer um Ausgleich bemüht. Und als Kirchengemeinderat sah er sich fast gezwungen, die Wogen zu glätten. Er hat sich wohl auch ziemlich reingekniet.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Er hat so eine seltsame Andeutung gemacht. Sinngemäß, wenn ich mich richtig entsinne, hat er gesagt, das übersteige alles unser Vorstellungsvermögen – oder so ähnlich.«
    Stumpers Frau nickte. Offenbar hatten sie diese Bemerkung bereits ausgiebig miteinander diskutiert.
    »Wessen Vorstellungsvermögen?«, zeigte sich Häberle interessiert.
    »Unseres«, wiederholte Stumper, »also das der Wessis. So hab ich das jedenfalls verstanden. Als ob es um etwas ginge, das die beiden aus ihrer ostdeutschen Vergangenheit mit rübergebracht haben.«
    »Sie können sich aber nicht vorstellen, was dies sein könnte?«
    »Nein. Wissen Sie, meine Frau und ich sind eigentlich keine politischen Menschen. Politik hat nur selten Gutes gebracht. Die wirklich großen bleibenden und wichtigen Dinge des Lebens haben Wissenschaft und Kultur hervorgerufen. Selbst die sogenannte Wende haben nicht die Politiker zuwege gebracht, sondern das Volk. Und der Glaube an das Gute.« Häberle wollte nicht widersprechen. Keine Frage, Stumper saß lieber an seiner Orgel als diskutierend an irgendwelchen ›Runden Tischen‹.
    »Vielleicht«, so warf jetzt seine Frau ein, »vielleicht solltest du sagen, dass Konrad noch etwas von Berlin gesagt hat.«
    »Stimmt. Ja, er habe sich in Berlin umgehört und einiges erfahren. Ich hab nicht nachgefragt – wieso auch? Ich wollte einfach nur in Ruhe weiterspielen. Aber so wie er es gesagt hat, geh ich davon aus, dass er im Internet recherchiert hat. Das tut er immer, wenn er sich in ein Thema vertieft.« Er schien nachzudenken, ob er noch mehr dazu sagen sollte. Seine Frau drängte ihn: »Sag doch, wie ernst ers gemeint hat.«
    Über Stumpers Gesicht huschte ein verlegenes Lächeln. »Vielleicht hat er auch nur dramatisiert. Aber er hat gesagt, dies alles sei hochexplosiv und wir seien beide mittendrin. Aber …«, wiegelte er ab. »Aber für mich hat das so geklungen, als wolle er dramatisieren.«
    Linkohr schrieb diese Aussage wörtlich mit. Er konnte zwar nicht stenografieren, doch dafür hatte er sich in den vergangenen Jahren seine eigenen Kürzel angeeignet.
    »Dann war da noch eine Begegnung mit Frau Gunzenhauser«, erinnerte sich Häberle an die Notizen seiner Kollegen. Obwohl ihn Stumpers Aussage brennend interessierte, ließ er sich dies nicht anmerken. Eine Eigenschaft, die schon manchen Gesprächspartner irritiert hatte.
    »Die Frau Gunzenhauser«, so griff Stumper das geänderte Thema erleichtert auf. »Ja, sie hat unten den Blumenschmuck erneuert und pausenlos die Tür krachen lassen.« Noch jetzt schien er darüber verärgert zu sein. »Schließlich ist sie auch noch zu uns raufgekommen – während wir uns an der Orgel unterhalten haben. Ich weiß aber nicht, was der Grund war. Jedenfalls ist sie zum Treppenaufgang rüber, um irgendetwas auf dem Dachboden zu erledigen.«
    »Wie lange war sie oben?«, wollte Häberle wissen.
    Stumper zuckte mit den Schultern. »Weiß ich beim besten Willen nicht. Konrad ist wieder gegangen, und ich hab weitergespielt. Wenn das Licht am Notenpult brennt, blendet es, und außerdem konzentriere ich mich dann aufs

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