Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
Vom Netzwerk:
die Menschen zwar jede schreckliche Untat aufsogen, wenn sie sich fernab der Heimat zutrug. Aber vor der eigenen Haustür sollte man tunlichst nicht darüber berichten. Und wenn, dann aber nur dezent. Denn in der unmittelbaren Umgebung hat die Welt in Ordnung zu sein.
    Sander hatte sich für die Konferenz entschuldigt, um keine Zeit für seine Recherche zu verlieren. Er musste in solchen Fällen immer an Häberle denken, der bei jeder Gelegenheit betonte, dass ›nicht mit Schwätzen etwas bewegt wird, sondern durch Taten‹.
    Der Journalist rang mit sich, ob er den Anruf tätigen sollte, den er sich bereits frühmorgens vorgenommen hatte. Die Sekretärin, die links von ihm ein paar Meter entfernt saß, schien seine Unschlüssigkeit bemerkt zu haben: »Was ist denn los?«, holte sie ihn aus seinen Gedanken zurück. »Fällt dir heut nichts ein?«
    Er reagierte nicht, sondern sortierte die Notizzettel, die auf seinem völlig mit Papier überladenen Schreibtisch lagen. Alles Telefonnummern, die er anrufen sollte. Kollegen von auswärtigen Zeitungen, Radiostationen und von einem privaten Fernsehsender aus Ulm. Sander kannte diese Anrufe: Sobald sich in der Provinz etwas Großes abspielte, gierten die Journalisten aus der halben Republik nach Informationen. Erster Ansprechpartner war in solchen Fällen stets der örtliche Lokaljournalist.
    Er hatte jetzt keine Lust zurückzurufen, sondern entschied sich für ein anderes Gespräch. Sander blätterte im Telefonbuch und suchte die Nummer des Evange-lischen Dekanats. Augenblicke später hatte er die Sekretärin am Apparat. Er meldete sich und bat darum, mit der Dekanin verbunden zu werden.
    Es gab wenige Gesprächspartner, bei denen er sich im Voraus schon genau überlegte, was er sagen und fragen sollte. Die Dekanin gehörte dazu. Sie meldete sich wie üblich kurz und schien sofort mit dem Grund des Anrufs konfrontiert werden zu wollen – ohne Umschweife, ohne Small Talk. Obwohl er davon ausging, dass sie sein Anliegen kannte, erwähnte Sander kurz die Ereignisse der vergangenen Tage und bemühte sich dabei, seine Stimme so ernst und seriös klingen zu lassen, wie es nur ging. Nachdem keine irgendwie geartete Reaktion aus dem Hörer drang, kam er gleich zur Sache: »Es wär gut, wenn wir kurz miteinander reden könnten.«
    »Ich glaub, dass ich alles der Kripo gesagt habe. Wir sollten abwarten, was die Ermittlungen ergeben.«
    Sander hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet, weshalb er sofort darauf abhob, dass mithilfe weiterer Berichte möglicherweise auch entscheidende Hinweise aus der Bevölkerung kämen. Schließlich lenkte sie ein und gab Sanders Bitte nach, gleich kommen zu dürfen.
    Er brauchte von der Redaktion aus nur zwei Minuten, denn das Dekanatsamt war nebenan in einem Altstadthaus in der Hansengasse untergebracht.
    Die Theologin holte ihn am oberen Ende der Treppe ab und führte ihn in ihr Büro, wo sie sich am Besprechungstisch niederließen. Sander bedankte sich für die Zeit zu dem Gespräch und erklärte, dass auch er alles daransetzen wolle, zur Aufklärung dieser schrecklichen Bluttaten beizutragen.
    »Mir sind einige Dinge durch den Kopf gegangen, die ich einfach zum besseren Verständnis gerne mit Ihnen besprochen hätte«, machte er weiter und staunte insgeheim über die unzähligen Bücher, die hinterm Schreibtisch mehrere Regale füllten.
    »Sie werden verstehen, dass ich über die Betroffenen nichts sagen möchte«, stellte die Dekanin gleich klar. »Und was es mit dem Streit der beiden im Martin-Luther-Haus auf sich hatte, weiß ich auch nicht.«
    Sander nickte verständnisvoll. »Alle reden nur von Simbach, Korfus und Czarnitz. Mir kommt es aber so vor, als gerate die arme Frau Gunzenhauser viel zu sehr in den Hintergrund. Glauben Sie denn auch, dass sie nur ein Zufallsopfer geworden ist – weil sie den Täter gesehen hat?«
    »Was ich glaube, bester Herr Sander, das ist nicht maßgebend. Fakt ist, dass sich die Frau nie in irgendetwas eingemischt hat. Sie hat mit Liebe und Hingabe ihre Arbeit gemacht und hatte – so weit ich das einschätzen kann – auch nie etwas mit Simbach und Czarnitz zu tun.«
    »Aber als Mesnerin hat sie doch zwangsläufig mal mit den Personen zu tun gehabt«, wandte Sander ein. Er ließ den Notizblock in seiner hellgrauen Windjacke stecken. Wenn er jetzt mitschreiben würde, wäre die Dekanin sofort wieder wortkarg, dachte er und beschloss, sich das Gesagte einzuprägen.
    »Natürlich haben die sich mal getroffen

Weitere Kostenlose Bücher