Schattennetz
Kilometern eingrenzen. Denn entgegen weitverbreiteter Meinung kommunizieren Handys nicht direkt mit Satelliten, sondern nur mit dem nächstgelegenen Sendemast – und der war allenfalls 10 bis 20 Kilometer weg. Für diese Technik war ab Mitte der 90er-Jahre nahezu die ganze Welt in kleine, wabenförmige Funkzellen aufgeteilt worden. Und weil jedes Handy regelmäßig automatisch dem großen Zentralrechner meldete, in welcher Zelle es sich aufhielt, um ankommende Gespräche empfangen zu können, hinterließ es elektronische Spuren. Diese werden eine Zeitlang gespeichert. Linkohr und Häberle waren auf diese Weise schon vielen Tätern im wahrsten Sinne des Wortes auf die Spur gekommen. Allerdings wurden die Kriminellen zunehmend vorsichtiger – insbesondere natürlich jene mit den ›weißen Westen‹.
»Das bringt uns doch einen entscheidenden Schritt weiter«, lobte Häberle. »Das heißt also, dass wir diesen Anton Simbach ausfindig machen müssen – und das Umfeld dieses Czarnitz abklopfen sollten.«
»Nicht zu vergessen die Frau Simbach und den Herrn Korfus. Da ist doch was im Busch, meinen Sie nicht?«, warf Linkohr ein.
»Oder bei der Frau Korfus«, grinste Häberle und musste daran denken, wie Linkohr die Frau ins Visier genommen hatte.
»Tja, leider Gottes ist unsere Kundschaft nicht nur weiblich. Wir haben nämlich auch die Namen der Mobilfunkservicetechniker gekriegt, die im Kirchturm die Sendeanlagen warten.«
Fludium schaltete sich voreilig ein: »Und? Die waren natürlich vorige Woche da, was?«, fragte er mit ironischem Unterton.
»Nicht ganz so«, gab Linkohr zurück. »Aber der eine vor zwei Wochen und der andere vor vier.«
»Jetzt sagen Sie aber bloß nicht, dass einer von beiden aus Ossiland stammt und ein Verhältnis mit Frau Simbach hat«, witzelte Fludium.
»Malen Sie mal den Teufel nicht an die Wand«, erwiderte Linkohr. »Aber der von Vodafone wohnt tatsächlich in Leipzig.«
»Nu – ei verbibbsch«, äffte einer der Kriminalisten den dort beliebten Ausspruch nach, was Linkohr wieder einmal zu seiner ureigensten Feststellung veranlasste: »Da hauts dirs Blech weg.«
26
Sergije hatte den abgegriffenen Polsterstuhl zu sich hergezogen. »Es tut mir alles so leid«, beteuerte er und setzte sich. Sabrina Simbach sah ihn von der Seite an und lächelte verkrampft.
»Schon gut«, erwiderte sie. »Ich krieg das schon hin.«
»Weiß man denn schon etwas von der Beerdigung?«
»Nein, ich hab bisher nichts gehört«, antwortete Sabrina, während sie Lieferscheine beiseite legte.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie sich auf mich verlassen können. Es geht doch weiter – oder …?«
Sie zögerte. »Du meinst – mit dem Geschäft hier?«
Er nickte und legte die Beine übereinander.
»Um ganz ehrlich zu sein, Sergije, du kannst dir vielleicht vorstellen, was ich momentan durchmache.« Sabrina holte tief Luft und lehnte sich zurück. »Ein Wechselbad der Gefühle. Du weißt, es war mit Alexander nicht einfach. Aber ohne ihn … ohne ihn wird es mit dem Geschäft schwierig – auf die Dauer jedenfalls.«
Sergije nickte verständnisvoll.
»Versteh mich bitte nicht falsch«, machte Sabrina weiter. »Du hast mir wahnsinnig viel geholfen in den letzten Wochen. Aber ob ich das weiter packe – und ob ich das überhaupt will, das muss ich mir alles gründlich überlegen.«
»Und Silke?«
»Silke ist 16. Sie macht irgendwann das Abitur, hoffentlich.«
Das Leuchten aus seinen Augen verschwand. Für einen kurzen Augenblick überlegte Sabrina, was der Grund dafür war. War es die Sorge vor dem Verlust des Jobs – oder galt die Enttäuschung womöglich Silke? Schon einige Male hatte Sabrina den Eindruck gehabt, dass er sich um ihre Tochter bemühte.
»Vielleicht findet sich aber auch ein anderer Ausweg. Ich meine …« Sergije kämpfte mit sich, ob ers sagen sollte. »Ja, wir könnten doch versuchen, das Geschäft mit vereinten Kräften …«
»Danke, nett von dir«, unterbrach ihn Sabrina leicht unterkühlt. Wenn das jetzt ein Versuch war, sich über Umwege an Silke heranzumachen, dann gewiss zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Sie würde es auf gar keinen Fall dulden, dass ihre 16-jährige Tochter mit einem acht Jahre älteren Mann ein Techtelmechtel anfing. Im Übrigen hatte Silke bisher keine Anstalten gemacht, Sergije heiß zu machen, wie man heutzutage wohl zu sagen pflegte. Dass sie jetzt im Sommer gerne Shorts trug, wenn sie nachmittags ins Ladengeschäft kam, hatte sicher nichts
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