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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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sah. Der Villenbesitzer hatte schon mal seinen Dackel rausgelassen.

32
    Es war ziemlich hitzig zugegangen. In der alten Kellerbar von Peter roch es modrig und feucht. Zigarettenqualm vermischte sich mit herbem Biergeruch. An den Wänden klebten großformatige Plakate leicht beschürzter Mädchen, der stabile Ecktisch bot den 13 Männern nur wenig Platz. Sie hatten trotz der ernsten Lage zunächst das Wiedersehen begossen, sich dann aber von Kissling und Simbach erläutern lassen, was geschehen war.
    Achim Oehme verstand es auch jetzt wieder, die dazu entbrannte Diskussion in die richtige Richtung zu lenken: »Es hat in den vergangenen Jahren immer wieder Anlässe zu polizeilichen Ermittlungen gegeben. Und es wird sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen, dass die Bullen beim einen oder anderen die Vergangenheit durchleuchten. Soweit mir aber bekannt ist, hat das nie dazu geführt, dass über den Grund der Ermittlungen hinaus noch Weiteres an die Öffentlichkeit getragen wurde.«
    Seine Zuhörer nickten. Sie waren alle in seinem Alter und hatten nach der Wende gleich wieder einen Job gefunden.
    »Ich erinnere an die Vereinbarungen zur Wiedervereinigung«, machte Oehme weiter, denn mit dieser Materie kannte er sich aus. »Niemand darf für etwas bestraft oder verfolgt werden, was in der DDR erlaubt war.« Er machte eine Pause und sah mit finstrer Miene in die Runde. »Auch wenn sie den einen oder anderen Kameraden der Nationalen Volksarmee verurteilt haben, nur weil er an der Grenze seine Pflicht getan und Republikflüchtlinge gestoppt hat.«
    Gestoppt, sagte er. Die Worte Schießbefehl und Mord hatte er in diesem Zusammenhang aus seinem Vokabular gestrichen. Dies war für ihn reine westliche Propaganda.
    Einer aus der Runde unterbrach ihn, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen: »Wenn die drüben ernsthaft jeden Kameraden hätten verknacken wollen, der an der Grenze nichts weiter als seine Pflicht getan hat, hätt Antons Bruder Alexander auch ein paar Jahre runterreißen müssen. Da hätten ihm sein Wendehalsverhalten und sein bigottes Getue zum Schluss auch nix mehr genützt.«
    Anton verzog keine Miene. Daran wollte er nicht erinnert werden. Schon gar nicht, nachdem Alexander nun tot war. Gleichzeitig plagte ihn wieder die Frage, wer ihn auf diese hinterhältige und ungewöhnliche Weise umgebracht hatte. Dass der Gedanke, der ihm seit Samstag nicht mehr aus dem Kopf wollte, offenbar gar nicht so abwegig war, schloss er aus der weiteren Bemerkung des Mannes, der ihm am Tisch gegenübersaß: »Verdammte Scheiße auch, dass ausgerechnet die beiden sich in dem Kaff da unten treffen müssen.«
    Ein anderer Gesprächsteilnehmer fügte hinzu: »Torsten hat bei Gott mehr Dreck am Stecken, wenn mans aus Sicht der Wessis sieht.«
    »Was heißt Dreck am Stecken?«, empörte sich Peter, dessen Kopf nur noch ein schmaler Haarkranz zierte. Er war der Älteste am Tisch, hatte gerade sein Bierglas abgesetzt und sich den Schaum vom Mund gewischt. »Er hat auch nichts anderes als seine Pflicht getan.«
    »Ich sagte aus Wessisicht«, stellte der Kritisierte lautstark klar.
    »Allein schon die Formulierung gefällt mir nicht. Die USA richten alle paar Wochen einen hin – elektrischer Stuhl, Giftspritze, Strick, was weiß ich -, da kräht kein Hahn danach. Allenfalls ein paar Menschenrechtler jaulen pflichtgemäß auf. Aber die Staatengemeinschaft hält still. Hat die EU jemals ernsthaft dagegen interveniert? Sie lehnen zwar die Todesstrafe ab, aber wenn das große Amerika sie praktiziert, gehen alle in die Knie. Dabei sind die Prozesse da drüben doch reine Show. Wer das Geld hat, sich einen Staranwalt zu leisten, hat große Chancen, seinen Kopf aus der Schlinge ziehen zu können.«
    Keiner am Tisch wollte widersprechen. Oehme bekräftigte deshalb: »Wir sind uns einig. Torsten hat einen Job gemacht, der zwar unpopulär sein mag, aber den es auch in den USA gibt.«
    »So ist es«, stellte ein anderer fest, der sich gerade eine Zigarette anzündete. »Und ich sag euch eines: Irgendwann werden auch die Europäer wieder begreifen, dass sich freiheitliche Staaten nur mit der Todesstrafe gegen das Böse wehren können.« Kurzes Schweigen. Er schien irritiert zu sein, auf keine euphorische Zustimmung zu stoßen. Nicht mal bei Peter. Stattdessen ergriff Kissling das Wort: »Lasst uns wieder die eigentliche Problematik angehen. Die Frage, die sich uns stellt, ist doch ganz einfach die: Wie können wir vermeiden, dass die ganze Sache

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