Schattennetz
ausufert? Erste Erfolge, wir haben es im Laufe des Abends bereits erörtert, sind zu verzeichnen. Das Handy …« Noch einmal rekapitulierte er das bereits besprochene Thema, obwohl es nun schon halb eins war. Es sei zumindest gelungen, Alexander Simbachs Handy zu sichern, erklärte er. Und alles sehe danach aus, als ob die Daten und Adressen nicht in falsche Hände geraten seien. Alexander habe eben wie ein alter Kämpfer gehandelt und alles unter einem Passwort abgelegt. Andererseits seien natürlich ankommende und abgehende Anrufe gespeichert worden – teilweise mit Nummern.
»Wie sicher können wir sein, dass dieser Kerl … wie heißt der noch mal?«, fragte Peter und erntete nur Schulterzucken, »Dass dieser Kerl schweigt?«
Anton Simbach fiel zwar der Name auch nicht ein, doch wusste er, wer gemeint war. »Ich glaub, der hat die Hosen gestrichen voll. Er ist sicher froh, das Ding los zu sein. Und …« Er überlegte und lächelte, »es sind noch ein paar kleine Einschüchterungsversuche geplant.«
Noch bevor er sie näher erläutern konnte, unterbrach ihn Kisslings Handy. Dieser zog es aus der Brusttasche des Hemds, blickte kritisch aufs Display und meldete sich mit »Ja?« Er lauschte kurz und gab mit verengten Augenbrauen gefährlich zischend zurück: »Du Idiot.«
Innerhalb weniger Minuten waren drei Streifenwagen der Polizei beim Rosendol eingetroffen. Uniformierte Beamte leuchteten die Umgebung der Unterführung ab, erhellten den Bahndamm und die angrenzenden Grundstücke und suchten erste Spuren. Ein Fahrzeug des Roten Kreuzes war bis ans Ende des Brunnensteigs hochgefahren. Die Besatzung kümmerte sich um Liliane Korfus, die unter Schock stand. Hingegen hatte ihr Mann das Geschehen bereits einigermaßen verdaut und einem Hauptkommissar der Schutzpolizei stichwortartig geschildert, was sich ereignet hatte. Inzwischen hatte sich auch der Villenbesitzer hinter seinem Tor vorgewagt und den verstörten Dackel an die Leine genommen.
Vom Turm der nahen Stadtkirche schlug es Viertel nach eins, als Häberle eintraf. Der Bereitschaftsdienstler hatte ihn alarmiert, nachdem der Name des Ehepaars einen Zusammenhang zu den aktuellen Verbrechen vermuten ließ.
Häberle stellte seinen Audi vor der Unterführung auf der Straße ab, die inzwischen gesperrt war. Er eilte durch das Rosendol und begrüßte die Kollegen der Schutzpolizei, die ihm im Lärm eines vorbeiratternden Güterzugs erklärten, wo sich der Tatort befand. Dann setzte er seinen Weg in Richtung des Rotkreuz-Fahrzeugs fort, das er am Ende der aufsteigenden Straße sah, entlang derer mehrere Anwohner aufgeregt diskutierten. Ziemlich außer Atem kam er oben an, stellte sich dem kreidebleichen Villenbesitzer vor und wandte sich dann an Korfus und den protokollierenden Schutzpolizisten, der kurz und prägnant die Lage schilderte: »Herr Korfus ist mit seiner Ehefrau durch das Rosendol gefahren und beschossen worden. Zwei Projektile haben die hintere Seitenscheibe durchschlagen.« Er deutete in die entsprechende Richtung. »Eines hat den hinteren Querholm getroffen und eines den Kofferraum.«
»Und Frau Korfus?«, fragte Häberle dazwischen.
»Nur Schock«, beruhigte der Kollege. »Sie wird im Krankenwagen behandelt.«
Häberle erklärte, dass er die Spurensicherung angefordert habe, um Patronenhülsen ausfindig machen zu können. Die mögliche Fluchtrichtung des Täters jedoch ließ sich schwer ermitteln. Falls er zu Fuß unterwegs war, konnte er ebenso entlang der Bahnlinie verschwinden wie durchs Rosendol zur Innenstadt. Dort hatte er unauffällig ein Fahrzeug bereitstellen können. Korfus glaubte sich zwar zu entsinnen, beim Vorbeifahren am Parkdeck des ›Sonnecenters‹ einen Pkw gesehen zu haben. Doch dieser Hinweis war mehr als vage. Und einen Verdacht, wer ihm und seiner Frau nach dem Leben trachten konnte, hatte er angeblich auch nicht.
Trotzdem wollte Häberle nichts unversucht lassen. Er entschied, mithilfe weiterer Polizeistreifen angrenzender Reviere, einen Umkreis von einigen 100 Metern durchkämmen zu lassen, wohl wissend, dass davon der gesamte Innenstadtbereich betroffen sein würde. Gleichzeitig beorderte er von der Landespolizeidirektion Stuttgart eine Hubschrauberbesatzung herbei, die mit Wärmebildkameras die bewaldeten Hänge nach Personen absuchen sollten.
Das übliche große Programm, seufzte er insgeheim. Mehr, als dass die gesamte Innenstadt in Aufruhr käme, würde dies kaum bewirken. Der Schutzpolizist, der einen
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