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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Seite der Altstadt zu erreichen. Das Nachtprogramm startete mit dem Titel ›Jariots of Fire‹ von Vangelis, während das Scheinwerferlicht beim Abbiegen an blinden Schaufensterscheiben und den Fassaden sanierungsbedürftiger Altstadthäuser entlangstrich. Seit ein Shoppingcenter mit Parkdeck die historisch gewachsene Hauptstraße hier zerschnitt, war der äußere Bereich wie der geknickte Ast eines Baumes abgestorben. Die deutschen Hauseigentümer hatten längst die Flucht ergriffen und das Feld größtenteils türkischen Käufern überlassen.
    Frau Korfus hielt das vorgeschriebene Tempo 40 penibel genau ein, passierte die links abzweigende Auffahrt zum Parkdeck, von dem die Scheinwerfer eines herabkommenden Autos die Straße quer erleuchteten, und setzte dann den Blinker nach rechts zum Brunnensteig. Diese abseits gelegene Ansiedlung war nur durch die schmale Unterführung der Eisenbahnlinie zu erreichen. Die kantige Betonkonstruktion, im Volksmund auch ›Rosendol‹ genannt, war zwar beleuchtet, doch konnte sie sich, seit sie hier wohnten, in der Nacht nie des Eindrucks erwehren, dass sie in eine finstre und verlassene Gegend eintauchte. Hinter dem ›Loch‹, so schien es ihr, war sie fern ab der Stadt, deren Kernbereich doch nur 200 Meter entfernt lag. Wenn überhaupt.
    Zwar ließen einige Villen auf eine feine Umgebung schließen. Aber bei einigen anderen Häusern, die sich beidseits an den Steilhang reihten, hatten Eigentümer und Mieter in jüngster Zeit häufig gewechselt, sodass man sich gegenseitig kritisch beäugte.
    Der Wagen rollte durch die Unterführung, deren Wände das Motorengeräusch widerhallen ließen. Schon trafen die Scheinwerfer das erste Haus, das die Ecke zwischen dem aufwärts führenden Brunnensteig und der rechts, parallel zur Bahnlinie, weiterführenden Wohnstraße markierte. Noch knapp 30 Meter trennten jetzt den Passat von der schmalen Hofeinfahrt zu diesem Eckgebäude. Liliane musste sich jedes Mal konzentrieren, im richtigen Augenblick scharf nach rechts einzubiegen, ohne die Begrenzungspfosten zu streifen. Geradeaus führte die spärlich beleuchtete Straße weiter aufwärts, rechts von Sträuchern und einem Kastanienbaum gesäumt. Dazwischen parkten Autos. Nach etwa 150 Metern mündete die Straße in einen gesperrten Forstweg, der sich hinter den Häusern am Hang entlang zur Hochfläche schlängelte.
    Links erstreckte sich das zunächst sanft ansteigende Areal einer Geislinger Unternehmerfamilie bis zur Waldgrenze empor. Während im unteren Bereich ein Haus im Stil der 50er-Jahre hinter Sträuchern und Birken stand, duckte sich droben am Hang eine Villa aus dem Betonzeitalter zwischen dem niedrigen Bewuchs. All dies war jetzt in tiefes Schwarz gehüllt. Das Streulicht der Straßenlampen ließ nur die Fassade des unteren Hauses erahnen.
    Der Wagen hatte gerade die Unterführung verlassen, als ein kurzer, dumpfer Schlag das Motorengeräusch und die Musik von Vangelis übertönte. Im Bruchteil einer einzigen Sekunde schien alles gleichzeitig zu geschehen: ein weiterer dumpfer Schlag, dann ein dritter. Blitze. Liliane war wie gelähmt. Es schien ihr wie eine halbe Ewigkeit, doch es war nur der Bruchteil einer Sekunde. Den Blitzen im linken Augenwinkel war ein undefinierbarer Luftzug gefolgt. Eine Bombe? Schüsse? Ein Überfall? Sie konnte keinen einzigen vernünftigen Gedanken fassen. Dann drang die panische Stimme ihres Mannes in ihr Bewusstsein: »Gib Gas, gib Gas, fahr los!« Torsten hatte die Situation schneller erkannt als sie. »Gas, Gas, Gas, Gas«, brüllte er in Todesangst.
    Ohne nachzudenken, trat sie das Pedal voll durch. Der Motor heulte auf und der Passat schoss im zweiten Gang die Straße hinauf.
    »Gas, Gas, Gas«, rief Torsten wie besessen. Noch einmal krachte etwas Dumpfes gegen das Fahrzeug. Diesmal wurde das Heck getroffen,
    Der Wagen beschleunigte enorm, während Korfus blitzartig mit der linken Hand ins Steuerrad griff und so fest er nur konnte auf die Hupe drückte und sie nicht mehr losließ. Bedrohlich schnell kam das Ende der asphaltierten Straße auf sie zu. Die Sträucher, zwischen denen Autos parkten, jagten rechts vorbei. Noch 50 Meter. Die Hupe erfüllte den Geländeeinschnitt und hallte von den Hängen wider. Verdammt noch mal, warum reagierte niemand?, schoss es Korfus durch den Kopf. Irgendjemand musste in diesem gottverlassenen Winkel doch kapieren, dass jemand Hilfe brauchte.
    Gleich gab es keine Chance mehr. Die Scheinwerfer erfassten das rot

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