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Schattennetz

Schattennetz

Titel: Schattennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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selbst dort festgenommen hatte, weil sie der Spionage oder Fluchthilfe verdächtigt wurden. Staatsfeinde. Viel später hatte er erfahren, dass ein junges Mädchen, das im Frühjahr 1989 aus dem Besucherstrom herausgefischt worden war, aus jener Gegend stammte, in die es später seinen Bruder verschlagen hatte. Zu drei Jahren Knast hatte man dieses junge Ding damals verurteilt, dann aber im Dezember 1989, ein paar Wochen nach der Wende, in Bautzen wieder laufen lassen. Von den vielen Verdächtigen, die er abgeführt hatte, war sie ihm in all den Jahren nicht aus dem Gedächtnis entschwunden. Sie war überaus hübsch gewesen, hatte versucht, ihn beim ersten Verhör mit ihrem aufreizend kurzen Röckchen zu verwirren. Die üblichen Tricks dieser staatsfeindlichen Elemente. Doch er war, wie es die Vorschrift besagte, hart geblieben, hatte ihr die mausgraue Anstaltskleidung verordnet und sie in Einzelhaft gesperrt. Was wohl aus dieser Frau geworden war?, überlegte er und rechnete nach, dass sie jetzt wohl 36 sein musste. Für ein paar Sekunden hatte Simbach nicht mitgekriegt, was um ihn herum gesprochen wurde. Erst das Handy in seiner Jackentasche riss ihn aus den Gedanken. Die Gespräche verstummten, während er das Gerät herausholte und auf dem Display ›Unbekannter Anrufer‹ ablas.
    »Ja?«, meldete er sich knapp.
    »Kannst du gerade reden?«, fragte die Männerstimme im Hörer.
    Simbach bejahte.
    »Also pass auf. Holzapfel hat sich gemeldet.«
    Simbach war für einen Moment wie elektrisiert. Holzapfel, so hatten sie ihn früher immer genannt. Offenbar war er diesem Decknamen treu geblieben.
    »Beim LKA in Dresden ist eine Anfrage über dich eingegangen«, fuhr die Stimme fort. Die drei anderen Personen im Raum schwiegen gebannt.
    »Und?«
    »Mehr nicht«, kam es zurück. »Aber sie wollen sowohl über dich als auch über den Torsten und den Rolf Nachforschungen anstellen.«
    »Und wie muss ich mir das vorstellen?«
    »Na ja, natürlich nicht nur, was Vorstrafen anbelangt, sondern alles.«
    »Alles?«
    »Soweit sich in den Akten etwas findet.«
    »Du meinst Gauck, Birthler?«
    »Ja, klar. Wenn ich mir deshalb eine Anmerkung erlauben darf: Ihr solltet euch eine gemeinsame Strategie zurechtlegen. Klare Aussagen, keine Widersprüche. Jetzt kommt es drauf an.«
    Simbach überlegte einen Moment, bedankte sich für die Hinweise und bat, auf dem Laufenden gehalten zu werden. Dann beendete er das Gespräch.
    »Holzapfel«, sagte er, während er das Gerät wieder einsteckte. »Zuverlässig wie eh und je.«
    Die beiden anderen Männer nickten zufrieden. Nur Frau Oehme wusste mit diesem Namen nichts anzufangen.
    Simbach blickte wieder ernst in die Runde. »Jetzt haben sie Dresden verständigt.«
    Einem kurzen betretenen Schweigen folgte Oehmes Entscheidung: »Vielleicht wärs da unten besser, wenn noch jemand von der Bildfläche verschwände.«
    Simbach und Kissling wurde mit einem Schlag bewusst, welche Dimension alles angenommen hatte.
     
    Torsten Korfus hatte an diesem trüben Juliabend noch lange in seiner Werkstatt gearbeitet und sich von seiner Frau Liliane abholen lassen, wie sie dies immer tat, wenn sie den VW-Passat nachmittags brauchte. Sie waren anschließend noch bei einem Italiener Pizza essen gewesen. Den ganzen Abend über hatten sie sich über Alexander Simbach und Rolf Czarnitz unterhalten, deren Tod sich auch Torsten Korfus angeblich nicht erklären konnte. Je häufiger er dies betonte, desto mehr kamen seiner Frau Zweifel. Doch jedes Mal, wenn sie dies durchblicken ließ, trieb es Torsten die Zornesröte ins Gesicht, worauf sie ihn sofort wieder beschwichtigte. Von seiner Vergangenheit wusste sie ziemlich wenig. Außerdem fiel es auch ihr schwer, über Vergangenes zu reden. Und doch gab es etwas, das sie – die Wessi – mit dem Mann aus dem Osten verband.
    Jetzt saßen sie schweigend beieinander – er tief in den Beifahrersitz gesunken, sie hinterm Steuer. Als sie den Passat aus der schmalen Gasse des Italieners herausfuhr, an der gelblich angestrahlten Stadtkirche scharf nach rechts abbog, um abseits des Turms links in die Bundesstraße 10 einzubiegen, verließ der Wagen zwischen den Gebäudekomplexen des Altenpflegeheims und des Kauflands den Altstadtbereich. Gleich darauf setzte Liliane den Blinker nach links. Es war inzwischen kurz nach Mitternacht und dieser äußere Teil der Hauptstraße menschenleer. Im Radio waren gerade die 24-Uhr-Nachrichten vorbei, als sie zweimal links abbog, um die andere

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