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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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verschieben die Suche nach einer Unterkunft für sich oft auf die letzte Minute. Die Stadthäuser und Wohnblocks bieten daher kein sonderliches Nachbarschaftsgefühl.
    Carltons Haus stand am hinteren Ende einer Sackgasse und war vollkommen dunkel. Im Licht der Straßenlaterne schaute ich mir die Eingangstür an, suchte nach einer Alarmanlage. Falls es eine gab, war sie von hier aus nicht zu sehen. Und wenn ich sie auslöste, würde es schwierig sein, schnell zu meinem Auto zurückzukommen. Ich würde einen Weg finden müssen, um durch oder über die hohe Hecke zu fliehen, die den ganzen Komplex umgab, konnte nur hoffen, dass mich dabei niemand sah, und würde mein Auto später abholen müssen.
    Mit diesem vagen Plan im Kopf holte ich einen Satz Dietriche aus meiner Jackentasche und nahm mir die Eingangstür vor. Jeder zufällige Passant würde viel weniger Verdacht schöpfen, wenn sich jemand an der Vordertür zu schaffen machte, statt hinten herumzuschleichen. Ich konnte einfach mit den Schultern zucken und behaupten, den Schlüssel verloren zu haben, so tun, als sei ich übers Wochenende zu Besuch bei Van Zandt, der mich glattweg vergessen hatte.
    Ich hielt den Atem an, während ich mit den Dietrichen herumhantierte. So was lernt man nicht auf der Polizeiakademie. Ich hatte es von einem Stallburschen gelernt, als ich elf Jahre alt war. Bobby Bennet hatte viele Jahre auf den Rennbahnen von Südflorida gearbeitet, bis ein bedauerliches Missverständnis wegen eines Einbruchs ihm drei bis fünf Jahre Gefängnis eingebracht hatte. Nach seiner Entlassung behauptete er, sauber zu sein, aber er hatte seine alten Fähigkeiten nicht verlernt und gab sie an mich weiter, weil ich ein Quälgeist war und er mich mochte.
    Ich dankte Gott für Bobby Bennet, als die Zuhaltung zurückschnappte. Trotzdem schlug mir beim Öffnen der Tür das Herz bis zum Hals. Viele Alarmanlagen erlauben den Eintritt mit einem Schlüssel, verlangen dann aber innerhalb von ein oder zwei Minuten die Eingabe des richtigen Codes auf einem Tastenfeld, oder der Alarm geht sowohl im Haus als auch bei der Dienststelle los, mit der die Alarmanlage verbunden ist, sei es eine private Sicherheitsfirma oder das Büro des Sheriffs.
    Ich fand das Tastenfeld der Anlage an der Wand neben den Türangeln. Ein kleines grünes Licht signalisierte, dass die Alarmanlage nicht eingeschaltet war.
    Erleichtert machte ich mich an die Arbeit. Im Wohnzimmer knipste ich eine Tischlampe an. Nachbarn, denen das Licht auffiel, würden einfach annehmen, dass die Person im Haus diejenige war, die dort hingehörte, denn welcher Dieb würde das Licht anmachen?
    Alles im Raum wirkte etwas schäbig, und es roch nach Hund. Der Teppich war mal weiß gewesen, genau wie die Sofas aus Lederimitat, das jetzt rissig und schmuddelig war. Van Zandt brauchte eine wohlhabendere Kundin, die ihn mietfrei wohnen ließ. Vermutlich dachte er dabei an Sean und hatte für die nächste Saison schon das Gästehaus im Auge.
    Ich ging durch die Küche und schaute flüchtig in Schubladen und Schränke. Nichts als die übliche Ansammlung von nicht zusammenpassenden Küchenutensilien, Müslischachteln und Waschmittel. Er mochte Heineken Bier und Orangensaft mit extra Fruchtfleisch. Weder im Kühl- noch im Gefrierschrank fand ich abgetrennte Körperteile. Eine kleine Ladung Wäsche lag sauber, trocken und zerknittert im Trockner. Hose, Socken und Unterwäsche. Als hätte er sich ausgezogen und alles zusammen in die Waschmaschine geworfen. Nur fehlte das Hemd. Ich fragte mich, warum.
    Das Wohnzimmer hatte nichts Interessantes zu bieten. Eine Videosammlung im Fernsehschrank. Science-Fiction- und Liebesfilme. Lorinda Carltons, nahm ich an. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Van Zandt sich Titanic anschaute und weinend Leonardo DiCaprio zum dritten Mal untergehen sah. Nirgends war die Videokamera zu sehen, die er bei Sean dabeigehabt hatte.
    Ich ging in den ersten Stock hinauf, wo die Schlafzimmer waren – ein kleines, voll gestopft mit Stoffhunden, ein großes, in dem die Möbel mit gelblicher Folie überzogen waren. Hier roch es nach Van Zandts Parfüm. Das Bett war gemacht, seine Sachen ordentlich im Schrank und in den Schubladen verstaut. Er hätte vielleicht einen guten Ehemann abgegeben, wenn er nicht diese bedauerlichen soziopathischen und frauenfeindlichen Tendenzen gehabt hätte.
    Die Videokamera lag im Schrank neben den Schuhen. Ich öffnete den Lederkoffer und sah die Bänder durch, alle beschriftet mit

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