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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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zusammen abhauen. Er konnte mit den Pferden fliegen und sich wie ein Dieb in der Nacht aus Landrys Zuständigkeitsbereich schleichen.
    Dann hob ich den Deckel von der zweiten Mülltonne, und plötzlich schoss mir Adrenalin durch die Adern wie eine Droge.
    Der einzige Gegenstand in der Tonne war ein Hemd. Das Hemd, das nicht mit der Hose und den Socken und der Unterwäsche gewaschen worden war – hastig ausgezogene und zusammen in die Waschmaschine geworfene Kleidungsstücke.
    Ich musste mich weit hineinbeugen, um an das Hemd zu kommen. Der Gestank in der Tonne war bestialisch, trieb mir Tränen in die Augen, drehte mir den Magen um. Aber ich kam mit dem Hemd wieder raus und trug es für eine genauere Überprüfung zum Licht.
    Feine ägyptische Baumwolle in warmem französischen Blau. Ich hielt das Hemd ans Licht, suchte nach einem Monogramm, wollte einen positiven Beweis dafür, dass es Van Zandt gehörte. Nichts zu finden, aber an der linken Seite des Kragens war etwas, das den Besitzer genau so positiv identifizieren konnte: dunkle Flecken, die wie Blut aussahen. An der linken Vorderseite des Hemdes war ein langer Riss, an dem weiteres Blut klebte.
    Mein Herz raste.
    Van Zandt konnte sich beim Rasieren geschnitten haben, würde der Verteidiger sagen. Und hat er sich beim Rasieren auch das Hemd zerrissen?, würde der Staatsanwalt fragen. Das Beweismaterial deutet darauf hin, dass er bei einem Kampf verletzt wurde, würde der Staatsanwalt sagen.
    Ich konnte mir gut vorstellen, wie Jill Morone sich gegen ihren Angreifer gewehrt hatte, mit fuchtelnden Armen, die Finger zu Klauen verkrümmt, die Nägel wie ausgefahrene Krallen. Sie hatte ihn vielleicht am Hals erwischt, hatte ihn gekratzt, und das Blut war in den Hemdkragen gesickert. Wenn bei der Autopsie Hautfetzen unter ihren Fingernägeln gefunden wurden … Wenn Van Zandt entsprechende Wunden am Hals hatte … Ich hatte keine bemerkt, aber er konnte sie unter der Schalkrawatte verborgen haben, die er ständig trug. Ich dachte an die Box in Jades Stall, an die möglichen Blutflecken, die ich in der Streu gesehen hatte. Vielleicht von der zweiten Verletzung. Gut möglich, dass sie ihm mit irgendwas einen Schlag versetzt, ihn mit irgendwas geschnitten hatte. Vielleicht war es doch nicht der Alkohol, der Van Zandt an dem Morgen so blass hatte aussehen lassen.
    Mein Herz schlug so heftig, dass mir die Hände zitterten. Ich hatte das große Los gezogen. Früher hätte ich nach einem Fund wie diesem eine Lokalrunde ausgegeben. Jetzt konnte ich den Sieg nicht mal für mich verbuchen und wäre in den Polizistenkneipen nicht willkommen gewesen, trotz des Erfolgs. Ich stand im schwachen Licht der Garage, versuchte meine Erregung zu dämpfen, zwang mich dazu, die nächsten kritischen Schritte zu überlegen, die ich machen musste.
    Landry musste das Hemd finden. So gerne ich es ihm auch an den Kopf geworfen hätte, es würde nie als Beweis in einem Prozess zugelassen werden, wenn ich es ihm brachte. Als Privatperson brauchte ich keinen Durchsuchungsbefehl. Der vierte Verfassungszusatz schützt uns vor den Gesetzeshütern, nicht vor einander. Aber ich durfte mich auch nicht illegal in dem Haus aufhalten. Wäre ich auf Einladung von Van Zandt hier gewesen und hätte während des Besuchs das Hemd gefunden, dann wäre das was anderes. Trotzdem hätte es Komplikationen geben können. Weil ich mal Polizistin gewesen war und wegen dieses Falles Kontakte zum Büro des Sheriffs hatte, konnte ein guter Verteidiger anführen, dass ich als De-facto-Vertreterin des Sheriffbüros zu betrachten sei, was meinen Status als unschuldige Bürgerin aufhob und den Beweis, den ich gefunden hatte, unzulässig machte.
    Nein. Das musste ordnungsgemäß abgewickelt werden. Die Beweiskette musste einwandfrei sein. Die Polizei musste mit einem Durchsuchungsbefehl für die Garage wiederkommen. Ein anonymer Hinweis, zusammen mit Van Zandts Geschichte und seiner Verbindung zu Jill Morone könnte dazu ausreichen.
    Trotzdem wollte ich das Hemd nicht in die Mülltonne zurücklegen. Ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass nichts schief gehen würde, dass Van Zandt nach seinem Gespräch mit Landry nicht nervös wurde, hierher zurückkam und den Beweis vernichtete. Ich musste das Hemd irgendwo verstecken, wo Van Zandt es nicht fand.
    Kaum hatte ich den Gedanken gefasst, hörte ich ein Auto in die Einfahrt biegen und der Garagentoröffner begann zu surren.
    Das Tor hatte sich bereits zu einem Drittel

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