Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
räumten auf und säuberten den Boden, wie sie es immer taten, versorgten den großen Kessel mit neuen Kohlen – Kohlen, die nur von der Köhlerei ihrer Familie stammen konnten. Dann waren die großen Glaskolben geliefert worden, auf die der Zauberer so ungeduldig gewartet hatte. Zu Elas Leidwesen blieben der Glasbläser und seine Gehilfen jedoch vor der Tür, und es waren die Homunkuli, die kurz darauf die Gefäße hereintrugen.
Wenig später tauchte Esara wieder vor Elas Zelle auf. » Wird Zeit, Mädchen.«
Sie schloss die Tür auf, und Ela wich zurück.
» Nun komm. Besser, du fügst dich. Wo willst du denn hin? Entkommen kannst du nicht«, sagte die Frau und streckte den Arm aus.
Darauf hatte Ela gewartet. Sie sprang vor, riss die überraschte Dienerin am Arm in die Zelle, stieß sie zu Boden und rannte hinaus. » Fangt sie!«, schrie Esara aus der Zelle, aber da war Ela schon fast an der Treppe. Die Homunkuli waren in ihrer Arbeit erstarrt, doch jetzt ließen sie alles stehen und liegen. Ela sah die Tür: Sie hatte einen Vorsprung, der konnte knapp reichen. Sie sprang die Stufen hinauf, erreichte die Pforte und fand sie verschlossen. Einen Augenblick war sie in Panik, dann bemerkte sie, dass der Schlüssel steckte. Sie drehte ihn um, mit einem lauten Klacken sprang das Schloss auf, aber als sie die Tür aufriss, hatten die Homunkuli sie eingeholt. Sie fühlte die kleinen, kalten Hände, die sich an ihren Armen und Beinen festkrallten. Es waren nur drei, nicht größer als Kinder. Ela versuchte, sie abzuschütteln, doch sie stellte überrascht fest, dass diese Wesen viel stärker waren, als sie aussahen, ja, sie waren viel stärker als sie selbst. Sie wehrte sich, schrie, spuckte diese Geschöpfe sogar an, doch sie hielten sie einfach nur fest und zerrten sie die Stufen hinab. Ela versuchte, sich ans Geländer zu klammern, aber es half nichts.
» Wirst schon sehen, was du davon hast«, sagte Esara und funkelte sie böse an. » In die Schlachtkammer mit ihr, los.«
Ela wehrte sich weiter verbissen, aber es war aussichtslos. Die drei Homunkuli schleiften sie quer durch das Laboratorium in eine niedrige Kammer. Drinnen war der Adlatus, er hatte sich eine schwarze Schürze übergeworfen und war noch damit beschäftigt, einen groben Holztisch zu säubern. Neben ihm standen drei blecherne Eimer, gefüllt mit einem roten Brei. Dann sah Ela, dass kleine Knochen aus diesem Brei hervorstanden. » Nein«, flüsterte sie, und dann schrie sie es hinaus: » Nein! Nein!« Sie schrie aus Leibeskräften, klammerte sich am Türrahmen fest, wehrte sich, schlug um sich, aber im eisernen Griff der Homunkuli wurde sie unerbittlich näher an den blutgetränkten Tisch herangeschoben, hinaufgeschafft und mit ledernen Bändern festgeschnallt. Und als die letzte Fessel sich schloss, verstummte Ela, gelähmt von Grauen.
» Es ist besser, du wehrst dich nicht, Kind«, sagte der Zauberer. » Es wird sonst nur noch schmerzhafter.«
» Aber was habt Ihr mit mir vor? Ich habe doch nichts getan. Bitte!«
Der Adlatus schwieg, prüfte seine Instrumente, seine Zangen, Messer, Meißel und Sägen, und legte sie, eines nach dem anderen, auf einem kleinen, gesonderten Tisch ab.
» Du hast deine Stadt verraten, an einen Schatten«, sagte Esara, die auf der anderen Seite stand. Triumph leuchtete in ihren Augen. » Eine Verräterin bist du, und so wirst du behandelt.«
» Aber ich bin unschuldig.«
» Wir wissen es besser«, sagte Esara. » Aber du hast Glück. Meister Hamoch ist ein großer Mann, er tut große und wichtige Dinge, und du wirst nun Teil seiner Arbeit. Siehst du, das ist der Stichel, mit dem er die Adern öffnet, damit dein Blut herausströmen kann. Mit dieser Schale fangen wir es auf. Es wird eine Weile dauern, denn wir müssen es mischen, mit allerlei Zutaten, damit es nicht gerinnt, sondern unsere – deine – Kinder nährt. Dieser Schaber hier dient zur Entnahme deiner inneren Organe, die gesäubert werden müssen, denn du bist voller Unrat, Kind. Diese Löffel werden deine Augen aus ihren Höhlen lösen. Und dann werden wir dich entbeinen, Stück für Stück, und das Fleisch in den großen Bottich geben, wo es zersetzt wird in einer magischen Lösung. Nichts von dir wird verschwendet, Mädchen. Selbst Haare und Zähne brauchen wir, um neues, besseres, reineres Leben aus deinem unkeuschen Leib zu erschaffen.«
Ela kämpfte gegen das blanke Entsetzen an – es konnte doch nicht sein, dass sie hier, auf diesem Tisch, sterben
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