Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Gefühle jemals offen zeigen würde. Er legte ihr väterlich die Hand auf die Schulter. » Ich bitte Euch, Baronin, beruhigt Euch. Noch ist nichts sicher. Der Wind ist ein unzuverlässiger Berichterstatter. Leicht kann er sich getäuscht haben.«
Sie warf ihm einen tränenvollen Blick zu. » Meint Ihr? Es besteht also noch Hoffnung?«, sie schien wieder ein Schluchzen zu unterdrücken.
Quent nickte. » Natürlich, meine Teuerste. Ich werde sogleich einen Boten nach Felisan aussenden. Man wird dann dort ein Schiff bemannen, das nach den Überlebenden sucht – falls die Prinzen nicht inzwischen doch wohlbehalten im Hafen eingetroffen sind.«
» Werdet Ihr es Hado sagen? Ich hörte, er sei nicht besonders wohl. Wenn Ihr wollt, könnten Beleran und ich …«
» Nein, ich werde dem Herzog nichts davon sagen, nicht, bevor wir nicht Gewissheit haben. Beten wir, dass der Wind sich irrte. Und ich bitte auch Euch, vorerst Stillschweigen zu bewahren. Ja, es wäre mir lieber, ich hätte es Euch gar nicht erst gesagt. Könnt Ihr es eine Weile für Euch behalten?«
» Aber, Beleran, mein Mann, es sind seine Brüder …«
» Ihr habt Recht, doch auch ihm gegenüber bitte ich Euch zu schweigen. Schickt ihn zu mir, ich kann ihm wohl besser erklären, was ich weiß und was ich nur vermute. Wollt Ihr das für mich tun?«
Shahila nickte und schluchzte noch einmal. Sie vermochte sogar Tränen in ihre Augen steigen zu lassen. Natürlich rang sie um Fassung, denn bis eben hatte sie nicht gewusst, ob dieser Teil ihres Planes gelungen war, und nun erzählte ihr ausgerechnet Quent, ihr gefährlichster Gegner, dass das Schiff untergegangen war. Und das Boot? Nein, er hatte gesagt, dass die Prinzen tot waren, wollte es sich nur noch nicht endgültig eingestehen. Wie arglos er doch war! Sie genoss den Augenblick. Kurz überlegte sie, ob sie weinend an die Schulter des alten Zauberers sinken sollte, aber das erschien ihr dann doch etwas übertrieben. Sie rieb sich die Augen, um die Röte zu verstärken, und gab sich unsicher und verzagt.
» Nun, lasst uns die bösen Zeichen vergessen, Baronin«, versuchte der Zauberer sie unbeholfen zu trösten. » Nichts ist so schlimm, wie es scheint, wie man so sagt. Lasst uns also von etwas anderem sprechen, denn Ihr seid doch sicher nicht ohne Grund die vielen Treppen hier heraufgestiegen, wie ich vermute.«
» So ist es, doch erscheint es mir mit einem Mal so unbedeutend, dass ich nicht weiß, ob …« Dann verstummte sie und tat, als müsse sie mit den Tränen kämpfen.
» Unbedeutend? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ihr seid doch niemand, der wegen nichts zu mir kommt. Bitte, Baronin, sprecht.«
Shahila wischte sich noch einmal über die Augen, dann sagte sie: » Es sind mir gewisse Dinge zu Ohren gekommen, Meister Quent. Ich gebe sonst nicht viel auf das Geschwätz der Dienerschaft, doch da gibt es diesen Schatten und überhaupt so viele merkwürdige Ereignisse, und da die Gerüchte dunkel und unheilvoll waren, dachte ich, ich könnte ihnen auf den Grund gehen – oder sie entkräften, was mir lieber gewesen wäre.« Wieder verstummte sie, als würden sie die Gedanken an die vermissten Prinzen überwältigen.
» Da Ihr zu mir gekommen seid, nehme ich an, dass Ihr Eure Befürchtungen bestätigt gefunden habt?«
» Leider ja, Meister Quent. Ich war im Laboratorium Eures Adlatus, und …«
» Bei Meister Hamoch?«
» So ist es. Seine Dienerin wollte mich nicht einlassen, aber ich ließ mich nicht abweisen, denn nun, da ich so weit gegangen war, wollte ich nicht umkehren.«
Sie sah, dass Quent die Stirn runzelte. Wusste er etwa schon etwas? » Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, Meister Quent, doch was ich sah – es übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Meister Hamoch … er … ich glaube, er … er macht Menschen.«
» Sagtet Ihr – Menschen?«
Shahila nickte. Sie musste sich nicht sehr anstrengen, um ihre Abscheu glaubhaft zu spielen. Zwar hatte sie selbst unter erheblichem Einsatz von Mitteln dafür gesorgt, dass Hamoch die verbotenen Pergamente überhaupt erst erhalten hatte, doch es war ein Unterschied, ob man von Homunkuli las oder ob man sie in Fleisch und Blut sah. » Sie sind kleiner als richtige Menschen, beinahe wie Kinder, Meister Quent, doch abscheulich anzusehen. Ihr könnt es Euch nicht vorstellen.«
» Und Ihr seid sicher, dass es nicht wirklich Kinder … nein, verzeiht, ich muss Euch wohl glauben.« Er blickte nachdenklich zu Boden. »
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