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Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten

Titel: Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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zählen konnte, aber irgendwie schien es ihm gleichzeitig so, als hätte er mit der Angelegenheit nichts zu tun, als wäre er nur Zuschauer und irgendein anderer würde hier für ihn kämpfen, mit einer Ruhe und Kälte, die er nicht begreifen konnte.
    Da war dieser Leutnant, und er erkannte, dass das der einzige Mann im Raum war, der etwas mit seiner Waffe anzufangen wusste. Er wich zurück, wobei er dem Mann, der ihn im selben Augenblick von hinten angriff, in einer blitzschnellen, ihm jedoch sehr langsam und folgerichtig erscheinenden Bewegung seine Klinge in den Brustkorb rammte. Der Soldat taumelte mit einem erstickten Ruf zur Seite. Da lag schon ein anderer, der krampfhaft die Hände auf seinen aufgeschlitzten Bauch presste, seine Eingeweide aber nicht halten konnte und entsetzt auf das blickte, was zwischen seinen Fingern hervorquoll. Und dort drüben war der Hauptmann, lag fluchend und jammernd auf den Knien, und das Schwert ragte ihm in einem grotesken Winkel aus der Schulter. Eigentlich hätte er tot sein müssen, doch gerade als die Klinge die Hand des Namenlosen verlassen hatte, war ihm im letzten Augenblick dieser verfluchte Leutnant in den Arm gefallen. Das alles wusste, sah und erkannte der Namenlose in eisiger Klarheit, und doch konnte er nicht begreifen, was hier geschah, und vor allem nicht, dass es durch ihn geschah. Und noch etwas bemerkte er: Er genoss es. Er genoss diesen eisigen Rausch von Kraft und Macht, der ihn beinahe ganz ausfüllte, genoss seine geschärften Sinne, die ihm jeden Angriff seiner Feinde im Voraus verrieten, die ihm ihre Schwächen und Wunden offenbarten, und die ihm all das viele Blut in prachtvoller Deutlichkeit zeigten. Er genoss es, und ein Teil von ihm verlangte mehr.
    Das Mädchen hatte sich losreißen können und floh jetzt durch eine Tür, aber er konnte ihr nicht folgen, denn ein Dutzend Männer hatte ihn eingekreist. Die Soldaten hielten jetzt Abstand, sie griffen ihn nicht an, ihre Waffen, Messer, Stuhlbeine, Schemel und Bierkrüge zitterten in ihren Händen, obwohl er unbewaffnet war. Sein Schwert, er wusste nicht mehr, wem er es entrissen hatte, steckte noch in der Brust seines letzten Gegners. Genau jetzt spürte er, wie die kalte Ruhe ihn verließ. Es schnürte ihm die Kehle zu, zum einen, weil er das Blut, die Toten und die stöhnenden Verwundeten sah, zum anderen, weil er begriff, dass er gar nicht wusste, wie man kämpfte, dass irgendetwas aus der Finsternis in seinem Inneren, sein vergessenes Ich, diesen Kampf für ihn geführt hatte. Doch jetzt war dieser Teil seines Wesens wieder fort, und er fühlte sich schwach und verloren. Panik stieg in ihm auf. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Soldaten seine Hilflosigkeit bemerken würden.
    Aber da war der Fremde, der Pilger, der sich unauffällig im Hintergrund hielt. Er gab ihm einen Wink mit den Augen. Er folgte dem Blick: Das Fenster! Natürlich. Er holte tief Luft, täuschte einen Angriff an, was seine Feinde zurückweichen ließ, nahm Anlauf, sprang auf den nächsten Tisch, rutschte fast aus, sprang wieder und dachte erst im letzten Augenblick daran, die Arme schützend über den Kopf zu legen. Die Butzenscheiben zersplitterten zu tausend Scherben, und er landete hart auf dem Pflaster der Straße.
    Hinter ihm wurde geschrien und gebrüllt. Dann flog die Tür auf, und die ersten Soldaten stolperten auf die Straße hinaus. Der Namenlose sprang auf die Füße und rannte. Er lief zum Markt, besann sich im letzten Augenblick eines Besseren und bog in eine schmale Gasse ein. Den Straßenkehrer, der hinter der Ecke stand, sah er einfach zu spät: Er stieß mit ihm zusammen, stolperte über den Besen und stürzte zu Boden. Ein Schatten legte sich auf ihn. Er brauchte einen Augenblick, um zur Besinnung zu kommen. Dann waren die Soldaten schon da. Sie sahen seltsam grau und blass aus, genauso wie alles andere, was er sah.
    » Der Fremde, wo ist er hin?«, herrschte einer der Soldaten den armen Straßenkehrer an.
    Der Namenlose traute seinen Ohren nicht. Er lag doch keine drei Schritte von dem Wachmann entfernt auf der Straße. War der Mann blind?
    » Ist aufs Dach, Herr. Richtung Markt«, antwortete der Straßenkehrer schwerfällig, und die Soldaten stürmten davon. Der Grauschleier verschwand. Er erinnerte sich, der Mann hatte beim Feuerschlucker neben ihm gestanden. Da hatte er ihn für schwachsinnig gehalten.
    Jetzt sah ihn der Mann mit sehr wachen Augen an und schüttelte den Kopf. » Reife Leistung«, sagte

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