Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
versoffener Vater, und wie ihre Mutter, die doch auch eine Hu…«
Er kam nicht weiter. Irgendeine unsichtbare Kraft schleuderte ihn zu Boden. Drei seiner Leute riss er dabei um. Ela stand mit offenem Mund da und sah Anuq, der eben noch hinter ihr gewesen war, nun vor sich stehen. Seine Faust war geballt, sein ganzer Körper angespannt. Er erinnerte sie an ein Raubtier. Totenstill war es in der Wirtschaft geworden, und die Soldaten starrten verblüfft auf ihren Hauptmann, der auf dem Boden saß und sich die blutende Nase hielt. » So ergreift ihn doch, Männer!«, kreischte er.
Dann sah Ela nur noch ein wirbelndes Durcheinander von Armen, Beinen, Leibern, und Anuq war mittendrin und doch irgendwie auch nicht. Sein Gesicht war weiß vor Wut. Er hielt plötzlich einen schweren Steinkrug in der Faust, einen Krug, den Ela eben noch ganz sicher in der Hand eines Soldaten gesehen hatte. Sie bemerkte den verblüfften Ausdruck im Gesicht dieses Mannes, der seine leere Hand anstarrte und dann von eben jenem Krug krachend am Kopf getroffen und in den Kreis seiner Kameraden geschleudert wurde. Sie sah Anuq auf einem Stuhl, dann auf dem Tisch, und es war, als würde er zwischen den Soldatenarmen tanzen, die nach ihm griffen. Dann zog jemand ein Schwert, holte aus und hielt inne, weil er stattdessen plötzlich einen zerbrochenen Bierkrug in der Hand hielt, während Anuq mit eben jenem Schwert einem Soldaten den Bauch aufschlitzte. Plötzlich warf sich jemand auf Ela und riss sie zu Boden. Sie sah in das blutende Gesicht des Hauptmanns, der brüllte: » Packt ihn doch endlich, Männer. Ich habe seine Hure!«
Sie wehrte sich, strampelte mit den Beinen, aber er lag schwer auf ihr, und sein Blut tropfte ihr ins Gesicht. » Ergib dich, oder sie stirbt«, schrie er und drängte ihre Beine mit dem Knie auseinander. Ela bäumte sich verzweifelt auf. Der Hauptmann lachte, zerriss ihr Hemd mit einer Hand, während die andere plötzlich grob zwischen ihren Schenkeln wühlte. Aber dann heulte Fals jäh auf, und sie sah mit einer Mischung aus Grauen und Faszination die Spitze eines Schwertes knapp über dem Schlüsselbein durch seine Schulter dringen. Blut schoss aus der Wunde, spritzte ihr über die halb entblößte Brust, und der Hauptmann bäumte sich vor Schmerz auf. Sie schrie, versuchte, Fals wegzustoßen, und sah, dass die Soldaten jetzt mit Schwertern, Stuhlbeinen und ganzen Schemeln auf Anuq eindrangen. Schon hatten sie ihn in die Ecke gedrängt. » Lauf weg!«, schrie sie. Und dann schrie sie noch einmal, weil sie erst jetzt wirklich begriff, dass es das Blut des Hauptmannes war, das ihr klebrig und warm über die Haut lief. Sie strampelte, kam halb frei, schlug um sich. Der Hauptmann packte sie mit der Linken so hart, dass sie ein drittes Mal schrie, diesmal vor Schmerz. Sie schlug nach ihm, und erwischte ihn mit den Fingernägeln im Gesicht. Er heulte wieder auf, und sie konnte sich losreißen.
» So lauf doch weg!«, rief sie und sprang auf. Dann rannte sie am verblüfften Wirt vorbei in die Küche. Hier musste es doch einen Hinterausgang geben!
Der Namenlose hörte ihre Rufe. Er sah die Männer, die ihn umringt hatten. Blut rauschte in seinen Ohren. Die heiße Wut hatte ihn gepackt, und er hatte wild um sich geschlagen, als es begonnen hatte, aber dann war dieses Gefühl verschwunden. Stattdessen breitete sich eine eisige Kälte in ihm aus, und die ging einher mit einem Gefühl von Kraft und Schnelligkeit. Männer lagen am Boden, und zweifellos hatte er sie niedergestreckt, mit einer Geschwindigkeit, die ihm selbst unbegreiflich war. Er bückte sich, und ein Schwert zischte, plump geschwungen, an ihm vorbei. Er sah seine Hände, die dem Mann das Schwert abnahmen, es gegen ihn richteten und es ihm in den Hals rammten. Der Soldat taumelte zurück und fiel über einen anderen, der dort, das Gesicht eine breiige Masse, wimmernd auf dem Boden lag. Der Namenlose erinnerte sich daran, ihm mit einem Krug den Wangenknochen zerschmettert zu haben. Und während er sich ganz deutlich und in allen Einzelheiten an den Augenblick erinnerte, in dem der Steinkrug an diesem Gesicht zerbrochen war, wich er einem anderen, sehr langsam anmutenden Schwertstreich aus und trennte mit der Waffe, die er aus dem Hals seines vorigen Gegners gerissen hatte, die Schwerthand vom Arm. Der Soldat schrie auf. Der Namenlose sah das Blut aus seinem Handgelenk spritzen. Er sah seine Rechte, die das Schwert führte, so deutlich, dass er jede einzelne Ader
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