Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Verzweiflung an, die sich seiner bemächtigen wollte.
Der Hüne schüttelte abermals den Kopf: » Ich werde dir weder meinen noch deinen Namen nennen. Es ist, wie du sagtest: Du hast viele Feinde in dieser Stadt. Sie könnten dich fangen, und dann kannst du nicht verraten, was du nicht weißt. Denn ich bin mir nicht sicher, dass du in diesem Fall den Weg der Schatten gehen würdest, Bruder.«
Der Namenlose verstand nicht, was das hieß, war aber auch zu unglücklich, um nachzufragen.
Kurz darauf entschied der Hüne, dass sie genug gerastet hatten, und sie schlichen aus dem Haus. » Es scheint hier viele verlassene Gebäude zu geben. Das ist gut, denn so werden wir leicht ein Versteck für dich finden. Vielleicht solltest du etwas ruhen, zu Kräften kommen. Ich denke, bis spätestens Mitternacht werden wir uns entschieden haben. Also, fasse dich in Geduld, Bruder. Es sind nur wenige Stunden.«
Ihm blieb kaum etwas anderes übrig. Sie fanden ein leeres Haus, das als Versteck geeignet schien, aber er wechselte es, sobald der Hüne verschwunden war. Der Namenlose hoffte, dass sie – wer immer sie waren –, sich dafür entscheiden würden, die Schleier über seiner Vergangenheit zu lüften, doch hatte er eine böse Ahnung, was geschehen würde, wenn sie sich entschieden, es nicht zu tun.
Die Wachen am Burgtor behandelten Faran Ured wie einen Bittsteller, und er zeigte sich von seiner freundlichsten und zuvorkommendsten Seite, um sie in ihrer überheblichen Arglosigkeit zu bestärken. Beinahe demütig brachte er sein Anliegen vor: » Wisst Ihr, edle Herren, ich war heute Mittag zufällig Zeuge, wie Euer tapferer Hauptmann und andere Männer verwundet wurden. Da sie mir bei diesem Kampf vielleicht sogar das Leben gerettet haben, fühle ich mich verpflichtet, diesen Soldaten zu helfen.«
» Der Feldscher hat ihre Wunden längst versorgt. Ihr kommt zu spät, Mann.«
» Ich zweifle nicht daran, dass sie in besten Händen sind, doch bin ich auf meinen Reisen weit herumgekommen, und ich besitze Kräuter, die die Schmerzen eines Verwundeten sehr mildern können.« Die besaß er seit dem frühen Abend tatsächlich. Wolkenkraut und Milch vom Nachtmohn wirkten, richtig dosiert, wahre Wunder.
Die beiden Soldaten wechselten einen schnellen Blick. » Der Hauptmann jammert wirklich sehr wegen seiner Schulter. Ihr seid also ein Heiler?«
» Oh, nein, ich bin nur ein bescheidener Pilger. Und ich biete meine Hilfe aus Dankbarkeit an, ohne etwas dafür zu verlangen.«
» Der Feldscher schätzt es nicht besonders, wenn man sich in seine Kunst einmischt.«
» Ich verspreche, das werde ich nicht. Ich kann die Bedauernswerten auch nicht heilen, nur ihre Schmerzen kann ich ihnen nehmen. Und natürlich werde ich Eurem Heiler meine Kenntnisse in dieser Kunst vermitteln, dann werden auch künftige Verwundete ihren Nutzen davon haben.«
Die beiden Wachen warfen sich einen Blick zu, der Faran Ured verriet, dass er die richtigen Worte gefunden hatte. Sie wussten, dass sie selbst früher oder später auf dem Tisch ihres Feldschers landen konnten. Ured kannte die Bader, Heiler und Ärzte, die rund um das Goldene Meer ihr Handwerk versahen. Manche waren tüchtig, doch verstanden sie wenig vom menschlichen Körper. Man war meist besser dran, wenn man eine Dorfhexe aufsuchte oder einen tüchtigen Zauberer, wenn man denn über das nötige Silber verfügte.
Wenig später saß Faran Ured in einer schmalen Kammer im Wachhaus, einem der verwinkelten Nebengebäude der Burg, und mischte unter den misstrauischen Augen des Feldschers, eines jungen Mannes mit einem für seinen Beruf beinahe unpassend fröhlich-rosigen Gesicht, die Kräuter in einem Stößel. Dann verabreichte er sie, aufgelöst in etwas Wasser und begleitet von fortlaufenden skeptischen Anmerkungen des Arztes, zuerst dem jammernden Hauptmann und dann dem schwer verwundeten Soldaten, der den Schwertstich in die Brust bekommen hatte. Ured verstand nicht sehr viel von Heilkunde, aber selbst er sah, dass der Mann die Nacht kaum überleben würde. Wenigstens konnte er ihm die Schmerzen nehmen. Der dritte Verwundete konnte kaum trinken, weil sein Kiefer zerschmettert war, und Ured konnte dem Arzt gerade noch ausreden, es mit einem Trichter zu versuchen. » Mit Geduld geht es besser, Meister Segg«, sagte er, » denn der Arme kann ja weder kauen noch reden, und auch das Schlucken fällt ihm schwer.«
Der Soldat bedachte ihn mit einem dankbaren Blick. Der Mann, der seine Hand verloren hatte,
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