Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
Kammer nebenan auf und ab. Offenbar konnte er es nicht erwarten, endlich zum Bankett aufzubrechen, und offenbar verstand er immer noch nicht, dass selbst dieses kleine Abendessen einer Frau eine gewisse Vorbereitung abverlangte, vor allem, da so viel auf dem Spiel stand und sie sich keine Fehler leisten konnte. Aus Taddora hatte sie aus gutem Grund nicht einmal eine Kammerzofe mitgebracht, denn das bedeutete, dass sie die Dienerschaft des Herzogs beanspruchen musste. Sie fand es erstaunlich, wie viel sie mit ein paar freundlichen Worten und einem Lächeln in Erfahrung gebracht hatte, vor allem, wenn sie bedachte, wie viel Silber sie zuvor für ihre Spione in Atgath hatte ausgeben müssen, um weit weniger zu erfahren.
Sie hatte schnell eine Magd gefunden, der Herz und Mund überliefen von all den Dingen, die sie erzählen musste. Der gute Herzog litt ihren geflüsterten Berichten zufolge immer schlimmer unter den rätselhaften Kopfschmerzen, die ihm schon seit Jahren zu schaffen machten. Shahila hätte ihn wirklich gerne kennengelernt, und sie war sogar ein bisschen beleidigt, dass er sie nicht empfangen wollte. Nach Auskunft der Magd, einer jungen Frau namens Nieli, war er aber wohl tatsächlich zu schwach, um an einem Empfang teilzunehmen, und Shahila entging nicht, wie besorgt sie deswegen war. Die ganze Dienerschaft litt mit ihrem Herrn – ein Zeichen seiner Beliebtheit –, aber weder Ärzte noch Magier vermochten ihm zu helfen. Vor allem Letzteres fand die Baronin aufschlussreich. Ein Schmerz, gegen den selbst Magie nichts ausrichtete … Ihr Gemahl hatte ihr in Taddora alles über das Leiden seines Bruders und » das Wort« erzählt, von dem der Herzog immer sprach. Wie arglos er doch war.
» Einen Augenblick noch, Liebster«, rief sie hinüber, weil er erneut fragte, wann sie endlich fertig war.
Sie zog ihre Lippen mit dem dunklen Rot nach, das aus den Leibern der Purpurschnecke gewonnen und mit einem Dutzend weiterer Zutaten so abgestimmt worden war, dass es die Blicke der Männer geradezu magisch anzog. Sie lächelte, weil sie daran dachte, dass sie keine Zauberei benötigte, um zu bekommen, was sie wollte. Dann leckte sie sich über die Zähne, um eventuelle Spuren von Rot zu tilgen.
Den alten Nestur Quent hielt sie weiterhin für den gefährlichsten ihrer Gegner, auch wenn Nieli berichtete, dass er sich in letzter Zeit mehr mit den Sternen als mit den Nöten seines Herrn beschäftigte. Sie ermunterte die Magd, ihr mehr zu erzählen, und fragte sich, ob die Dienerschaft in Taddora ebenso über sie tratschte wie die Bediensteten hier. Sie fühlte sich immerhin darin bestätigt, dass es klug gewesen war, bis auf Almisan niemanden in ihre Pläne einzuweihen. Sie puderte einen Hauch von Rosa auf ihre Wangen. Sie war sich im Klaren darüber, dass sie nun an dem Punkt angelangt war, an dem sie neue Verbündete brauchte. Der Adlatus wusste es noch nicht, aber er war ein reifer Apfel, der nur darauf wartete, gepflückt zu werden. Über ihn und das, was er in den Katakomben trieb, wollte die Magd am liebsten gar nicht reden. Es kostete die Baronin ein großes Lob für ihre Hilfe, einen glänzenden Silbergroschen und das Versprechen der Verschwiegenheit, doch etwas mehr zu erfahren. Dann raunte Nieli von geheimnisvollen Geräten und großen Plänen, die viel Silber und Gold kosteten, aber deren Ergebnisse noch niemand zu sehen bekommen hatte. Und noch ein böses Wort mache in der Dienerschaft die Runde, ein Wort, das die Magd nur flüsternd auszusprechen wagte: Totenbeschwörer. Man munkelte, der Magier habe sich heimlich mit den entsetzlichen Werken der Nekromanten beschäftigt und folge nun möglicherweise sogar ihren Wegen. Shahila gab sich ungläubig erstaunt und besorgt, dabei hatte sie doch selbst veranlasst, dass dem Adlatus zu einem gerade noch glaubhaft niedrigen Preis von geheimnisvollen Fremden gewisse verbotene Pergamente zugespielt worden waren.
Sie entnahm ihrer Schmuckschatulle zwei große, goldene Ohrringe, deren Herzsteine perfekt zum dunklen Rot ihrer Lippen passten. Sie fragte sich einen Augenblick, ob sie vielleicht auf das feingliedrige oramarische Perlendiadem verzichten sollte, dann legte sie es jedoch an, gerade weil es für den Anlass etwas übertrieben war. Wer durch ihre Schönheit und den Schmuck nicht ohnehin geblendet war, würde sie vermutlich für eitel und damit harmlos halten. Unzufrieden starrte sie auf das matte Spiegelbild, das ihr nicht verraten wollte, ob sich der Aufwand
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