Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
uns begegnet sind«, versprach Ured. Er sah sich um. Die meisten Fernhändler waren noch damit beschäftigt, ihre Stände zu bestücken, und die Atgather waren damit beschäftigt, ihr Geld für andere Angebote auszugeben. Niemand schien auf sie zu achten.
Ured erwarb, was er benötigte, für einen gerade noch annehmbaren Preis, und verabschiedete sich freundlich. Und immer wieder schüttelte der Händler den Kopf über seine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Pilger, den er siebzig Jahre zuvor gesehen hatte. Der Mann war von ganz angenehmer Art für einen Händler, der in erster Linie doch auf seinen Gewinn achtete, aber darauf konnte Ured keine Rücksicht nehmen. Er bemerkte eine Matte hinter dem Stand, was ihm verriet, dass der Alte, vermutlich zum Schutz seiner Ware, in seinem Stand schlafen würde. Er konnte nur hoffen, dass der Händler vorerst mit niemandem über dieses kleine Geschäft und seine besonderen Umstände reden würde. Später in der Nacht würde er dafür sorgen müssen, dass es dabei blieb.
Der Namenlose rannte mit seinem unbekannten Helfer wortlos durch die Finsternis. Sie hasteten keuchend durch dunkle Gänge, nur erleuchtet vom grünlichen Schimmer der Schimmelpilze, die in den feuchteren Abschnitten von der Decke wucherten. Schließlich fanden sie, nachdem er schon nicht mehr hatte glauben wollen, dass er jemals aus diesem Labyrinth würde entkommen können, einen Ausgang. Es war eine kurze, enge Röhre, vielleicht ein alter Brunnen, und sie endete im Keller eines Hauses. Vorsichtig stieg er hinter dem Hünen die Sprossen hinauf. Das Haus stand leer, und das Dach war teilweise eingestürzt. Bislang hatten sie kein Wort geredet, und auch jetzt wollte der unbekannte Helfer nicht, dass gesprochen wurde. Erst als er sich überzeugt hatte, dass das Haus und die Straße davor menschenleer waren, schien er sich zu entspannen. Sie blockierten den Zugang zur Unterwelt mit zwei schweren Dachbalken, dann setzten sie sich darauf.
» Wenn sie hier nicht mehr herauskönnen, werden sie natürlich auf anderem Wege hierherkommen, weil sie sich denken können, dass wir es sind, die den Ausgang blockieren. Aber eine kurze Rast können wir uns wohl gönnen.«
Der Namenlose nickte und schwieg. Er wusste nicht, wie er beginnen sollte. » Danke«, sagte er schließlich.
Der Hüne zuckte mit den Schultern. » Ich bin sicher, du wärst auch alleine mit ihnen fertig geworden, Bruder. Aber vielleicht war es sogar klug, ihnen nicht zu zeigen, wer du bist.«
» Ich weiß es doch selbst nicht!«
Der Hüne starrte ihn befremdet an.
» Du nennst mich Bruder, doch wenn wir wirklich Brüder sind, dann habe ich deinen Namen vergessen, ebenso wie meinen.«
» Du weißt nicht, wer ich bin?«
» Ich weiß nicht einmal, wer ich selbst bin, was ich in dieser Stadt tue, wo ich herkomme, warum ich manche Dinge kann, die ich nicht einmal verstehe. Ich habe all das vergessen. Es ist, als hätte eine große Finsternis meine ganze Vergangenheit verschluckt.«
» Aber du hast einen Schatten beschworen, ich habe es gespürt.«
Der Namenlose zuckte mit den Schultern. » Ich weiß, doch weiß ich nicht, wie …«
Der andere sah ihn nachdenklich an. » Erinnerst du dich an gar nichts?«
» Nichts. Nur Schwärze.«
» Das ist seltsam. Es sei denn …«
» Ja?«
» Nichts, es ist seltsam.«
» Da du mich zu kennen scheinst, könntest du mir helfen, die Dunkelheit zu lüften, Bruder – oder sind wir keine Brüder?«
Der Hüne schüttelte den Kopf. » Nicht durch das Blut, nur durch die Schatten. Doch will nicht ich es sein, der dir erzählt, was du wissen musst. Dieses Wissen ist gefährlich, und jemand anders soll entscheiden, ob es klug ist, dich erneut in Dinge einzuweihen, die du wusstest, aber offenbar vergessen hast.«
Der Namenlose dachte darüber nach. Es gefiel ihm nicht, aber seltsamerweise konnte er den Hünen sogar verstehen. » Ich scheine mir in dieser Stadt Feinde gemacht zu haben«, sagte er unglücklich.
Der andere grinste plötzlich. » Und ich war Zeuge, wie du dir sogar unter der Erde neue gemacht hast. Diese Fähigkeit liegt wohl in deiner Familie, Bruder.«
» Meine Familie … sag mir, wer ich bin, Bruder!«
Der Mann dachte einen Augenblick nach, dann erhob er sich. » Nein, es erscheint mir wirklich klüger, es dir jetzt nicht zu sagen, nicht, bevor nicht entschieden ist, dass wir dir wieder vertrauen können, Bruder.«
» Aber meinen Namen …«, bat der Namenlose und kämpfte gegen die
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