Schattenprinz 01 - Der Prinz der Schatten
hatte zugesehen. Er nahm Ured wortlos den Becher aus der Hand und trank. Sein Blick war leer und wanderte immer wieder zu dem Stumpf, in dem sein rechter Arm nun endete.
Anschließend saß Ured mit dem feindselig schweigenden Feldscher in einer Stube und wartete, bis die betäubende Wirkung einsetzte. Als die Verwundeten nicht mehr stöhnten, meinte der Heiler: » Sie werden an Eurem Gift gestorben sein, und hätte der Hauptmann es nicht befohlen, hätte ich es nie zugelassen.« Er ging nachsehen.
Während Meister Emrig Segg bei den Verwundeten war, füllte Ured einen Krug randvoll mit Wasser, tauchte seine Finger darin ein und begann leise zu summen. Er konnte nur hoffen, dass die Magie ihm ihren Missbrauch vom Morgen inzwischen verziehen hatte, denn er brauchte das Vertrauen des Feldschers für den Plan, der in ihm gereift war.
Seine Auftraggeber erwarteten, dass er beobachtete und nur im Notfall eingriff. Wenigstens hatten sie ihm dabei weitgehend freie Hand gelassen, wohl wissend, dass er nichts unternehmen würde, was ihrem Willen widersprach, solange seine Familie in ihrer Gewalt war. Für einen Augenblick verdüsterte sich Ureds Miene. Er hätte nie gedacht, dass ein anderer ihn einmal so sehr in der Hand haben könnte, und er dachte daran, sich die Mittel zu verschaffen, um diesem eisernen Griff zu entkommen. Es war ein gefährliches Spiel, das er da spielte, aber er kannte seine Auftraggeber zu gut, um ihnen zu trauen. Auch wenn er noch keinen genauen Plan hatte, so wusste er doch, dass er auf jeden Fall viel Silber dafür brauchen würde. Atgath war zwar offensichtlich keine sehr reiche Stadt, aber auch ein armer Herzog würde wohl Silber und Gold in seiner Schatzkammer aufbewahren. Meister Segg wusste vermutlich, wo diese Kammer zu finden war. Ured summte leise, und er war erleichtert, als er spürte, dass die Magie ihn erhörte. Er wusste selbst, dass sein Plan gefährlich war, denn es gab mit dem alten Quent einen Zauberer in dieser Burg, dem seine magischen Talente vielleicht auffallen würden, wenn sie sich über den Weg liefen. Aus diesem Grund durfte der Zauber, den er nun anwenden wollte, auch nicht sehr stark sein, denn auch das mochte bemerkt werden.
Der Feldscher kehrte mit verkniffener Miene zurück. » Der Hauptmann verlangt nach Euch, und bei den Himmeln, er lächelt.«
» Wie ich es sagte«, erklärte Faran Ured freundlich und summte.
» Es ist ein Wunder.«
» Keineswegs, nur Kräuter, die in diesem Land schwer zu bekommen sind. Und, noch einmal, sie heilen die Verletzten nicht, sie dämpfen nur die Schmerzen.«
» Dämpfen die Schmerzen«, wiederholte der junge Arzt nachdenklich.
Ured sah, wie das Vertrauen, das er beschwor, wuchs, und äußerte eine Bitte: » Verzeiht, Meister Segg, es ist möglich, dass ich später noch einmal hinausmuss, um Dinge aus meinem Quartier zu holen. Könntet Ihr es ermöglichen, dass die Wachen mich auch später noch einlassen? Ich will doch auch wieder nach den Kranken sehen.«
Der Arzt nickte. Er schien plötzlich von tiefer Nachdenklichkeit erfüllt.
Jetzt war Faran Ured zufrieden, denn endlich schien ihm das Glück wieder zuzulächeln. Er hatte soeben freien Zugang zur Burg erhalten, und damit früher oder später auch zu ihren Schätzen. Seine Hand lag auf dem randvollen Krug, und er summte. In der Stube schien es wärmer geworden zu sein. Ured konnte förmlich sehen, dass sich die anfängliche Feindseligkeit des Feldschers in beinahe freundschaftliche Zuneigung verwandelt hatte. Er fragte sich allerdings, wie er den seltsam verklärten Blick des jungen Arztes deuten sollte. Plötzlich sprang Meister Segg auf, griff sich den Mörser, in dem Ured seine Medizin gemischt hatte, und rief: » Lauft nicht weg, Meister Ured. Seid doch so gut, und seht noch einmal nach den Kranken. Ich bin gleich zurück.«
Faran Ured nickte überrumpelt. Als er den eiligen Schritten des Feldschers nachlauschte, hatte er das Gefühl, dass sein Zauber vielleicht zu erfolgreich gewesen war, und er fragte sich, was der Arzt denn auf einmal so Dringendes zu besorgen hatte.
Gerade als Heiram Grams glaubte, keinen Schritt weiterzukönnen, blieb Marberic stehen. » Sind wir endlich da?«, keuchte Grams.
Der Mahr hob die bleiche Hand, damit Grams schwieg. Er starrte voraus in die Dunkelheit jenseits seiner schwachen, grünlich leuchtenden Laterne. Dann sah auch Grams, dass ihnen von dort ein Licht entgegenkam. Der Mahr zog langsam sein Messer. Der Köhler hatte sich die
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