Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
hörte sie noch schreien, als sie die nächste Felskante erreichten und dann in die Tiefe geschleudert wurden. Sekunden später war das wildschäumende Gewässer wieder nur ein kleines Rinnsal, das munter und unschuldig über Felsen sprang.
» Marberic sagte mir, dass du es warst, der mich gerettet hat, Anuq.«
Das Mädchen lag auf einigen groben und kurzen Wolldecken in einer der kahlen Kammern, die die Mahre in den Fels geschlagen hatten. Es gab viele davon, und lange, dunkle Gänge dazwischen, und andere, die irgendwohin tief unter den Berg führten. Aber die Mahre verrieten Sahif nicht, wo sie endeten. In einer der leer stehenden Kammern hatte Sahif eine unruhige Nacht voller quälender Albträume verbracht. Er hatte die Gesichter von Männern gesehen, die er getötet hatte, das wusste er, als er sie sah, aber er konnte sich bei den meisten nicht erinnern, wer sie waren. Nur den jungen Bergkrieger, den er vor dem Stollen getötet hatte, den hatte er wiedererkannt. Und dann war da eine Schlange gewesen, schwarz und weiß, die einem der Toten aus dem Mund gekrochen war.
» Sahif, mein Name ist Sahif«, sagte er jetzt. Ela sah blass aus. Marberic hatte ihm erzählt, dass sie fast gestorben wäre, so viel Blut hatte sie verloren.
» Und du wurdest verwundet, als du mich gerettet hast«, fügte Ela Grams hinzu und sah ihn mit ihren blauen Augen groß an.
» Hat Marberic das gesagt?«
Sie schüttelte den Kopf. » Aber ich sehe doch, dass du verletzt bist.«
» Nur eine Fleischwunde. Und ich habe sie mir gestern eingehandelt, oben am Berg. Ich glaube jedenfalls, es war gestern. Aber ich habe keine Ahnung, ob Nacht oder Tag ist oder wie lange wir schon hier unten sind. Die Mahre haben mich gerettet. So wie dich auch, Ela Grams.«
Sie wirkte sehr schwach, und sie schien ihm nicht zuzuhören. » Noch nie hat jemand sein Leben für mich gewagt.«
Er zuckte mit den Schultern. » Schon gut. Ich war es dir schuldig. Du hast ja auch viel für mich getan.« Die Dankbarkeit dieses Mädchens war ihm unangenehm. Sie wusste doch gar nicht, wem sie da eigentlich geholfen hatte, nachdem er ohne Gedächtnis in ihrer Hütte aufgewacht war.
» Trotzdem. Danke«, sagte sie schlicht und drückte matt seinen Arm.
Sahif wurde verlegen. » Die Mahre haben dir nicht erzählt, was geschehen ist und … was ich bin, oder?«
» Meister Hamoch hat behauptet, du seist ein Schatten«, entgegnete sie leise. » Aber er nannte mich auch eine Verräterin. Ich glaube, er wollte mich umbringen. Er tut furchtbare Dinge in seinem Verlies. Ich habe ihm kein Wort geglaubt.«
» Weißt du, er hat nicht in allem Unrecht, Ela Grams«, erwiderte Sahif. Und dann erzählte er ihr in sehr groben Zügen, was geschehen war, berichtete von der Intrige seiner Schwester, die den Herzog getötet und es ihm in die Schuhe geschoben hatte, und von seiner Flucht über die Dächer der Stadt.
» Du musstest viel kämpfen, Anuq«, stellte Ela fest. Die Augen fielen ihr zu.
» Ich habe überlebt«, sagte er schlicht. Er verschwieg ihr, dass etwas in ihm, etwas, über das er keine Kontrolle hatte, ihm bei all seinen Kämpfen geholfen hatte. Und den dunklen Drang nach dem Blut seiner Feinde, den er bei diesen Kämpfen verspürte, den verschwieg er ihr ebenfalls. » Du solltest schlafen, Ela.«
» Du auch, Anuq«, erwiderte sie. Und dann war sie schon eingeschlafen.
Er deckte sie zu und erhob sich. » Kann ich mich darauf verlassen, dass ihr euch um sie kümmert, wenn ich fort bin?«, fragte er Marberic, der an einem wohl schon lang erloschenen gusseisernen Ofen lehnte.
» Nein«, antwortete der Mahr.
Sahif starrte ihn verblüfft an.
» Du bist verletzt. Du kannst nicht gehen. Es ist gefährlich, da draußen.«
» Trotzdem, ich brauche Antworten. Aina, meine Geliebte, sie kann sie mir vielleicht geben. Sie soll in Felisan sein.«
» Woher weißt du das?«
» Shahila hat mir das erzählt.«
» Sie hat dich belogen.«
» Ihr wisst, wo Aina ist?«, fragte Sahif.
» Nein. Ich meine, deine Schwester lügt. Oft. Warum glaubst du, dass sie dir die Wahrheit über diese Frau sagt?«
Sahif funkelte den Mahr wütend an. Leider hatte Marberic Recht, aber das wollte er nicht zugeben: » Sie hat nur gelogen, wenn sie etwas davon hatte. Und ich habe nun einmal keine bessere Spur.«
» Du bist zu schwach, um zu kämpfen, wenn dort nicht diese Geliebte, sondern ein Feind auf dich wartet.«
» Aber hier kann ich auch nicht bleiben.«
» Du kannst. Wenigstens
Weitere Kostenlose Bücher