Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen
Kumar. Niemand sagte etwas.
» Gut«, knurrte der Rudersklave, bückte sich und wischte die Klinge im Sand ab. » Es wird bald dunkel, und die Flut kommt. Wir müssen das Floß auf einen der Felsen schaffen. Morgen werden wir es, so gut es geht, instand setzen. Hat jemand etwas dagegen? Nein? Gut, dann packt mit an.«
Noch vor der Flut kam der Regen, und das war zunächst ein Segen, denn die flache Grube, die Prinz Gajan ausgehoben und die Kumar mit Gajans Hemd abgedichtet hatte, füllte sich mit Wasser, und so konnten sie ihren Durst löschen. Aber mit dem Regen kam auch die Kälte, und Hadogan drängte sich frierend an Gajan, als sie nun auf einem der drei Felsen kauerten und das steigende Wasser beobachteten. Der kurze Herbsttag war schnell zu Ende, und die Flut erreichte am frühen Abend ihren Höchststand. Sie hatten Arbeq am Strand liegen lassen, und Gajan sah zu, wie der Leichnam von der weißen Gischt davongetragen wurde. Dann peitschte schwerer Regen über sie hinweg, und Blitze zuckten über das Meer. Sie hatten das halb zerfallene Floß mit auf den Felsen gewuchtet, kauerten sich darunter, aber es bot kaum Schutz vor Wind und Regen.
» Was, wenn wir einen Sturm bekommen?«, fragte Gajan.
Er konnte Kumar, der neben ihm saß, kaum sehen, so dunkel war es plötzlich geworden. Unter ihnen schäumte die Brandung über den Strand. Auch der Leichnam, den Gajan nicht hatte beerdigen können, war schon fortgespült worden.
» Dann würde uns das viele Entscheidungen abnehmen, Prinz«, antwortete der Rudersklave.
» Was meinst du?«, rief Gajan gegen den Regen.
» Arbeqs Schützling. Habt Ihr seine Blicke nicht gesehen? Er wünscht uns den Tod.«
» Es waren nur Blicke.«
» Wollt Ihr Euch darauf verlassen, dass es dabei bleibt? Ich will mein Leben nicht einem Mann anvertrauen, der meinen Tod wünscht.«
Gajan wusste, dass er widersprechen sollte, aber im Stillen gab er Kumar Recht. Er würde ruhiger schlafen, wenn dieser Matrose nicht mit auf dem Floß war. Vielleicht konnten sie ihn zurücklassen.
Irgendwann gegen Morgen, sie waren längst bis auf die Knochen durchnässt, war Kumar verschwunden, was Gajan mehr fühlte als sah. Das Gewitter war inzwischen näher gerückt, und Blitze zuckten aus den niedrig hängenden Wolken. Für einen Augenblick glaubte der Prinz, einen schwarzen Kopf zu sehen, der sich durch die bleiche Brandung zum nächsten Felsen vorarbeitete, aber vielleicht war das auch nur Einbildung. Er presste Hadogan an sich, denn er wollte ihn beschützen, vor dem Unwetter und vor dem, was nun gerade keinen Steinwurf entfernt auf jenem anderen Felsen geschah. Der Matrose hatte einen Platz allein auf dem Felsen gewählt, und Gajan konnte sich nicht vorstellen, dass er schlief. Wieder zuckte ein langer Blitz aus den schweren Wolken, und für einen winzigen Augenblick meinte er, dort drüben die Umrisse zweier Körper zu sehen, die miteinander rangen. Er starrte hinüber, bis ihm die Augen tränten, doch plötzlich war Kumar wieder da. Er hatte sich durch die schäumende Gischt an ihren Felsen herangekämpft und streckte Gajan seine Hand entgegen. Der Prinz ergriff sie und half ihm hinauf.
Hadogan bemerkte es. » Was ist denn geschehen, Kumar, bist du gestürzt?«, fragte er besorgt.
» So ist es«, rief Kumar gegen den Donner.
Als sie sich wieder unter dem Floß zusammendrängten, flüsterte Gajan vorwurfsvoll: » Du warst voreilig. Wir hätten vielleicht einen anderen Weg gefunden.«
» Er war vorbereitet, Prinz. Er hatte einige Steine bereitgelegt, jeder groß genug, einen Mann zu erschlagen. Es ist besser so.«
Gajan wusste einen Augenblick lang nicht, was er sagen sollte, aber dann drängte er: » Hadogan darf es nie erfahren.«
Ein erneuter Blitzschlag beleuchtete die Züge Kumars. Sie waren verzerrt, wie vor Schmerz, und Gajan fragte sich, ob er vielleicht verwundet war, aber dann sagte der Sklave: » Das muss er auch nicht, Prinz, ebenso wenig wie meine Kinder jemals erfahren werden, was ich heute Nacht getan habe.«
Dritter Tag
Shahila gähnte. Die ganze Nacht hatte sie an der Seite ihres Mannes beim toten Herzog gewacht, ebenso wie die Nacht davor, und auch fast den ganzen gestrigen Tag hatte sie in der kahlen Halle verbracht. Man hatte in aller Eile ein schwarz beschlagenes Gestell gezimmert, und der Herzog ruhte darauf in einem schmucklosen Sarg. Shahila saß auf einem der beiden Stühle, die man in die Halle geschafft hatte. Sehr bequem waren sie nicht, vor allem nicht, wenn
Weitere Kostenlose Bücher