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Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen

Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen

Titel: Schattenprinz 02 - Der Prinz der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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man Stunde um Stunde darauf sitzen musste. Aber offenbar verlangte der Brauch dieser merkwürdigen kleinen Stadt, dass die Erben zwei Tage und Nächte mit der Leiche verbrachten. Hado war einbalsamiert worden, und der Geruch der Öle bereitete Shahila Kopfschmerzen. Die Balsamierer waren offenbar großzügig mit den kostbaren Essenzen umgegangen. Aus irgendeinem Grund hielt man sich in der Burg einen Vorrat dieser Öle, die von einer Insel weit im Süden stammten. Wir hätten sie jetzt auch kaum bezahlen können, dachte Shahila, ja, es wäre besser gewesen, wir hätten sie verkauft, als sie an diesen Leichnam zu verschwenden, nur, damit er etwas langsamer in seinem Grab verrottet.
    Das erste Licht des Tages sickerte durch die hohen Fenster der Halle. Wie sinnlos es war, an diesem kalten Leib die Zeit zu verbringen, wo es doch so viel zu tun gab! Beleran trauerte, und sein Blick war leer und verloren. Er sah blass aus, vermutlich hatte er seit der Ermordung seines Bruders kein Auge zugetan. In der Nacht war er ein- oder zweimal auf seinem Stuhl eingenickt, aber sofort wieder hochgeschreckt. Sie konnte ihm ansehen, dass er sich für diese Momente der Schwäche schämte. Mehrfach hatte er seinen toten Bruder stammelnd um Verzeihung für irgendwelche lang zurückliegenden Vergehen oder Verfehlungen gebeten, und immer wieder brach er unvermittelt in Tränen aus. Shahila warf einen Blick in das wächserne Gesicht des toten Hado. Manchmal, wenn die Lampen flackerten, zuckten Schatten über sein Gesicht, und für einen Augenblick mochte man glauben, es sei noch Leben in ihm. Shahila erschauerte jedes Mal, weil sie wider besseres Wissen fürchtete, der Ermordete würde sich erheben und mit seiner kalten Hand anklagend auf sie deuten, aber es geschah nicht, und sie schob diese krausen Gedanken auf die vielen Stunden ohne Schlaf, die sie im Angesicht des Toten verbringen musste. Sie sah wieder zu ihm hinüber. Seine Augen waren geschlossen, und sie würden es bleiben, und kein Blut hatte sich gezeigt, als sie an den Sarg getreten war, wie sie gefürchtet hatte, denn sie war es doch, die ihn eigenhändig getötet hatte, mit ihrer Haarnadel aus Elfenbein, die jetzt wieder in ihrem schwarzen Haarknoten steckte.
    Zuerst hatte sie daran gedacht, die Nadel fortzuwerfen, weil sie sie an das erinnern würde, was sie getan hatte, aber inzwischen war sie froh, sie behalten zu haben, denn in Augenblicken wie diesen erschien ihr alles, was um sie herum geschah, völlig unwirklich, wie ein Traum. Und dann war es gut, diese Nadel in ihrem Haar zu wissen, die ihr verriet, dass sie es wirklich vollbracht hatte. Sie gähnte wieder und war erleichtert, dass sich das Morgengrauen in den hohen Fenstern abzeichnete. Wenigstens würde die Totenwache bald enden. Beleran, ihr Gatte, hatte sie nicht fortgelassen, und sie musste menschliche Bedürfnisse vorschützen, um sich wenigstens von Zeit zu Zeit aus der Halle stehlen zu können. Es gab so viel zu tun, und das alles blieb unerledigt, nur weil dieser zu Lebzeiten so unfähige und vom Wahnsinn gezeichnete Mann endlich tot in einem Sarg lag.
    Sie starrte an die schmucklose Decke. Burg Atgath machte wirklich nicht viel her, ebenso wenig wie die Stadt. Und ihre Bewohner waren wie die Schafe, die es in ihrer Baronie Taddora so zahlreich gab: Nichts brachten sie alleine fertig, alles musste sie ihnen auftragen, und dann sahen sie stets fragend zu Beleran, bevor sie ihren Anordnungen folgten. Den ganzen vorigen Tag hatte sie sich darüber geärgert, bis schließlich Almisan eine Lösung gefunden hatte: Er überredete Beleran, sie zu seiner Stellvertreterin zu ernennen. Das half, wenigstens ein bisschen. Aber erst, als sie einsahen, dass der zukünftige Herzog in seiner Trauer nicht gestört werden durfte, ließen ihn die Bediensteten in Ruhe und kamen gleich zu ihr. Selbst in Taddora hatte sie nicht solche Schwierigkeiten mit den Einheimischen gehabt, und sie fragte sich, ob es an ihrer Herkunft lag oder nur daran, dass sie eine Frau war.
    Gerade trat wieder eine junge Magd in die Halle. Sie huschte über den kalten Steinboden und fragte den gnädigen Herrn, wo er zu frühstücken wünsche.
    Beleran blickte verstört auf. Er schien nicht zu merken, dass der Tag anbrach. Shahila, die wusste, dass er die Halle bis zur Beerdigung nicht verlassen würde, sagte: » Hier, wo sonst?«
    Die Magd sah sie unsicher an. » Herr?«, fragte sie.
    Beleran schüttelte den Kopf, besann sich dann, griff nach der Hand

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