Schattenprinz

sagte Clark zu Major Stoddard, von dem er korrekterweise annahm, dass er an seiner Seite war. »Verdammt! Ich kann es nicht deutlich sehen.«
    Bevor der getreue Stoddard noch etwas erwidern konnte, schwang der Senator ein Bein über die Reling, klammerte sich an das Netzwerk aus herabhängenden Leinen und rutschte an einem kräftigen Tau bis zum Kiel hinunter. Der Wind zerrte an ihm, als er einen Arm und ein Bein um das Tau schlang und das Fernrohr wieder ans Auge drückte. Eindringlich musterte er das jämmerliche Luftschiff, das kaum auf Baumwipfelhöhe schlingernd dahintrieb. Normalerweise hätte die Mannschaft der Ranger ihn bei einer so gewagten Leistung staunend angestarrt. Aber dies war Senator Clark.
    Das verrückte Gelächter des Senators ging beinahe im Brüllen des Windes unter, als er das Messingfernrohr in sein Hemd gleiten ließ. Er kletterte so mühelos zurück an Deck, als habe er gerade eine einfache Übung beendet, anstatt gefährliche tausend Meter über der Erde an einem Tau zu hängen. Major Stoddard war nicht so dumm, seinem Kommandanten eine helfende Hand zu reichen, als er sich mit einem männlichen Ächzen wieder an Deck zog.
    »Ein Schiff von Blutdienern.« Clark lehnte sich an das Schanzkleid aus Mahagoni und schürzte demonstrativ in Gedanken versunken die Lippen. »Vampire nutzen sie nicht zum Kämpfen. Also bezweifle ich, dass sie nach uns suchen.« Er grinste. »Es ist ein Transportschiff, Major. Damit transportieren sie sperrige Güter. Oder Gefangene. Können Sie mir folgen?«
    »Ich glaube, ja, Sir.«
    »Welche Gefangene ist ihnen am wichtigsten?«
    Stoddard kannte die Antwort, blieb aber stumm, damit Clark sie geben konnte.
    »Prinzessin Adele.« Der Senator versetzte Stoddard mit dem Handrücken einen Schlag vor die Brust, was diesen zusammenzucken ließ. »Wenn sie sie schon hätten, würden sie nach Süden segeln. Nach London. Aber das tun sie nicht, nicht wahr?«
    »Nein, Sir. Nach Norden.«
    »Nach Norden. Also jagen sie sie noch.«
    Stoddard neigte den Kopf und lächelte ebenfalls. Er war sich nicht sicher, warum – es schien von ihm erwartet zu werden.
    »Also folgen wir ihnen«, verkündete Clark. »Sie werden uns geradewegs zu meiner Frau führen.«
    Nun runzelte der Major die Stirn. »Das sind recht schwache Indizien, Sir.«
    Clark ließ sich von der Kritik nicht entmutigen. Stoddard war es gestattet, ihm gelegentlich der Form halber zu widersprechen, obwohl das in letzter Zeit immer häufiger vorkam. Das war etwas, das Clark bald würde unterbinden müssen. Der Senator warf einen Blick hinunter auf das baufällige Luftschiff. »Was haben wir denn sonst, Major? Wir treiben hier draußen schon seit Wochen untätig herum.«
    »Nichts, Sir. Aber unsere Vorräte werden knapp. Und unsere nächstgelegene Basis ist immer noch Tage entfernt.«
    Der Senator hob seinen eisernen Blick. »Basis? Wir kehren nicht ohne sie zurück, Major. Ich dachte, das hätte ich bereits deutlich gemacht. Wenn wir meine zukünftige Frau nicht finden, wird kein Mann lebend zurückkommen.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Also, was denken Sie nun?«
    »Nach Norden, Sir.«
    »Ganz recht, Major Stoddard. Bitte instruieren Sie Captain Root, diesem Luftschiff zu folgen. Und falls wir von ihnen entdeckt werden sollten, werfe ich eigenhändig jeden Matrosen der Ranger über Bord.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Genauso, wie ich es sagte, Major. Ich meine es todernst.«
    »Jawohl, Sir. Über Bord, Sir.«
    Clark lachte und umklammerte aufgeregt die Reling. Das nannte er Leben!
    Am Morgen nach ihrer Unterhaltung in der Bibliothek suchte Adele die Küche mit ihrer einladend sanften Glut der Herdfeuer auf. Sie konnte gut verstehen, warum Morgana es liebte, dort unten zu sein. Adele wollte der Dienerin dafür danken, dass sie Gareth dabei geholfen hatte, das Abendessen so sorgfältig zu organisieren, doch sie brauchte auch Hilfe bei einer einfachen Angelegenheit.
    Die Küche war leer. Morgana war nirgendwo zu finden. Enttäuscht, aber nicht entmutigt hielt Adele selbst nach der Gerätschaft Ausschau, die sie für ihr Vorhaben benötigte. Doch nach minutenlanger, ergebnisloser Suche stand sie immer noch mit leeren Händen da. Mit einem Schnauben milder Frustration schloss sie eine weitere Schublade und war dabei so in ihre Suche vertieft, dass sie die dunkle Gestalt links von ihr beinahe nicht bemerkte. Erschrocken zuckte sie zusammen.
    »Baudoin.«
    Der Diener starrte sie an. »Brauchen Sie etwas?«
    »Ist Morgana hier?« Adele