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Schattenprinz

Schattenprinz

Titel: Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clay und Susan Griffith
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Monster.

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    F rüher Morgennebel hüllte die Stadt Edinburgh ein und ließ sie wie ein unwirkliches und un heimliches Königreich erscheinen. Doch Adele fürchtete sich nicht vor den dunklen, eingefriedeten Höfen oder dem bleiernen Himmel. Gareth ging an ihrer Seite, ihr persönlicher Führer. Wo sie einst zusammengezuckt war, wenn sie seinen Schatten auf den Festungswällen entdeckt hatte, war sie nun dankbar für seine Anwesenheit. Obwohl es kühn und trotzig von ihr gewesen war, als sie sich in jenen ersten Tagen hinaus in die Stadt gewagt hatte, hatte sie stets ein wenig Angst im Herzen gehabt. Sie hatte sich darüber hinweggesetzt, doch das hieß nicht, dass die Angst nicht da gewesen wäre. Diesmal dagegen nicht. Dieser Tag schien eine neue Erfahrung für Adele zu werden.
    Es gab noch etwas Neues, das Gareth ihr zeigen wollte. Sie stiegen einen steilen Hügel hinunter, fort von der über ihnen aufragenden Burg, und der Nebel verdichtete sich um sie herum. Ein paar Gestalten spazierten durch den Dunst an ihnen vorbei und gingen ihren Geschäften nach, als sei kein Vampir in Reichweite. Als wären seit mehr als einem Jahrhundert keine Vampire je in diesen Ort gekommen.
    Bald schon führte ihr Weg wieder bergan, immer noch nach Süden eine Straße entlang, die einst Candlemaker Row geheißen hatte und auf die sich Adele bisher noch nicht gewagt hatte. Dünne Nebelschwaden waberten um ihre Beine, als sie das Kopfsteinpflaster entlanggingen. Adele sah das große eiserne Tor erst, als sie beinahe unmittelbar davorstanden. Jenseits der schmiedeeisernen Stäbe lag ein herrliches Bauwerk aus altem Stein. Überall um es herum erhoben sich von Kreuzen gekrönte Grabsteine und prächtige Monumente, um die Toten zu segnen und zu ehren. Es war ein Friedhof.
    »Was ist das hier?«, fragte Adele.
    »Die Leute nennen es Greyfriar’s Kirk«, antwortete Gareth mit einem sanften Lächeln.
    Erfreut drehte sie sich zu ihm um. »Das ist dein Namenspatron!«
    »Ja. Ich mag diesen Ort. Er hat Geschichte, und mir gefallen die Steine.«
    »Es ist ein Friedhof.«
    »Ich weiß. Die Ironie ist mir nicht entgangen.« Er stieß die schweren Eisentore auf, und sie betraten den Gottesacker. Manche Friedhöfe waren erfüllt von Grauen und Aberglauben, aber für Adele, und sogar für ihren Bruder, waren sie Orte, die es zu erkunden galt. Ihr Heimatland war berühmt für seine Gräber und letzten Ruhestätten der Toten. Sie faszinierten Adele. Merkwürdigerweise war das noch etwas, das sie mit Gareth gemeinsam hatte.
    Die Grabsteine von Greyfriar’s Kirk waren alt und vom Alter dunkel, manche beinahe glatt durch die Verwitterung. Doch auf vielen waren die kunstvollen Inschriften noch erhalten und wunderschön. Die meisten von ihnen waren groß und direkt entlang einer Steinmauer errichtet, die den kleinen Friedhof umgab.
    Gareth deutete auf einen der Grabsteine. Er trug eine lateinische Inschrift. »Das ist dieselbe Sprache wie in dem Anatomiebuch, das ich besitze. Ich kann Namen erkennen. Aber weißt du, was der Rest davon bedeutet?«
    »Das tue ich.« Adele hatte Latein gelernt. »Das hier ist der Name der Person – der Person, die hier begraben liegt.« Ihr Finger strich über den Nachnamen der in großen, kühnen Lettern ganz oben stand. »Der Rest nennt die Verwandtschaftsbeziehungen. Ein Ehemann, eine geliebte Ehefrau und drei Söhne im Alter von zwei, fünf und sieben Jahren.«
    »Das alles steht da?« Gareth berührte die tiefen Gravuren, die dem Lauf der Zeit getrotzt hatten.
    »Was ist im Innern der Kirche?«, fragte Adele.
    »Ich weiß nicht«, antwortete er abwesend, während er immer noch den Grabstein musterte. »Ich war noch nie im Innern.«
    »Warum nicht?«
    »Ich ziehe es vor, nicht hineinzugehen.«
    Adele starrte ihn an. »Dann ist es also wahr, dass Vampire von religiösen Symbolen abgestoßen werden? Das hast du in Canterbury angedeutet.«
    Gareths Blick glitt über ihren Kopf hinweg. »Ich bleibe einfach lieber draußen.«
    Sie glaubte ihm nicht. Aber sie konnte nicht von ihm erwarten, dass er ihr die Schwächen seiner Spezies eingestand. Obwohl sie eine ungewöhnliche und einzigartige Beziehung zueinander aufgebaut hatten, war sie die zukünftige Herrscherin des größten Feindes seiner Art.
    »Darf ich hineingehen?«, fragte sie.
    »Selbstverständlich. Ich werde hier draußen auf dich warten.«
    Adele ging auf die Eingangstüren der Kirche zu. Eine davon hing schief in den Angeln, die andere hielt noch sicher und

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