Schattenprinz
einfache Handlung, ihr das Haar zu schneiden, so weit führen würde. Plötzlich hatte sie eine Wahl zu treffen.
»Ich verstehe.« Seine gute Laune verflog. »Ich habe mir zu viel angemaßt.«
Entschlossen straffte Adele die Schultern und wandte ihm den Rücken zu. »Ich vertraue dir. Schneide es kurz.«
Sie bebte leicht, als er erneut näher zu ihr trat. Es war nicht die Angst, dass er mit einem scharfen, spitzen Gegenstand hinter ihr stand, die ihr den Atem raubte, es war Gareths Nähe allein. Ihr verfilztes Haar wurde angehoben, und obwohl sie auf seine Berührung vorbereitet war, keuchte sie leicht, als seine sanften Finger ihren entblößten Nacken streiften. Sein Atem war stark genug, um warm über ihre nackte Haut zu streifen, kurz darauf gefolgt von seiner kühlen Berührung, die Wellen des Erschauderns aussandte.
Dann senkte er den Kopf und konzentrierte sich auf die vor ihm liegende Aufgabe. Unbeholfen bemühte er sich, die Schere im richtigen Winkel und weit genug von ihrer Haut entfernt zu halten. Das Werkzeug gehorchte ihm nicht so, wie seine Schwerter es taten. Dieses hier erforderte, dass sich seine Finger zugleich in Einklang und Gegenspiel bewegten. Mehrmals zog er Adele an den Haaren, während er sich abmühte, die Schere richtig anzusetzen.
Sie versuchte sich umzudrehen, doch Gareth hielt ihren Kopf fest und schob ihn nach vorne. »Halt still«, befahl er, völlig auf seine Aufgabe bedacht.
Ein flüchtiger Blick aus den Augenwinkeln zeigte ihr Gareths Ellbogen in einem lächerlichen Winkel, praktisch über ihrem Kopf, als er versuchte zu schneiden. Es war, als probiere ein Linkshänder, die Schere zu handhaben. Adele wollte lachen, hielt es allerdings ihrem Haarschnitt zuliebe für klüger, es nicht zu tun. Er fluchte in seiner Vampirsprache – es war ein scharfes, regelrecht gutturales Fauchen.
»Vielleicht sollte ich es doch einfach selbst tun«, schlug Adele vor. Wieder versuchte sie sich umzudrehen, diesmal ein wenig drängender, ein wenig entnervter.
Gareths Stimme blieb streng, und er hielt ihren Kopf erneut fest. »Nein. Es ist gut so. Ich hab’s gleich.«
Mit geschlossenen Augen bemühte sie sich, ihre Panik mit bloßer Willenskraft zu unterdrücken. Dann erklang plötzlich das metallische Geräusch der Klingen, und ihr Kopf begann, sich ein wenig leichter anzufühlen. So ging es scheinbar stundenlang weiter.
»Da!« Wie eine Trophäe hielt Gareth eine Handvoll ihrer geschorenen Locken in die Höhe. »Es ist vollbracht!«
Instinktiv fuhr sich Adele mit der Hand in den Nacken, ebenso sehr, um den Unterschied zu spüren, wie um die Gänsehaut zu beruhigen, die sie immer noch wie wild überlief. Der Haarschnitt war fürchterlich kurz. Sie fror im Nacken.
Beinahe schüchtern hob sie den Blick und sah Gareth an. »Danke.«
»Brauchst du es noch kürzer?« Seine Finger ließen die Schere schnappen.
Angesichts seiner Begeisterung über diese neue Fähigkeit platzte ein Lachen aus ihr heraus. »Nein, nein. Ich denke, dieser Haarschnitt ist ziemlich ausreichend.«
»Was soll ich damit machen?« Fragend beäugte er die Haarbüschel in seiner Hand.
Schulterzuckend fuhr sie sich mit den Fingern durch ihr verbliebenes Haar. Es fühlte sich sehr merkwürdig an. »Wegwerfen, schätze ich. Ich brauche es nicht mehr. Obwohl ich im Augenblick für einen Spiegel töten würde.«
Sofort nahm Gareth einen Schild von der Wand und hielt ihn vor sie. »Genügt das hier?«
Die verchromte Oberfläche des Schildes hatte einst geglänzt, doch nun war sie grau angelaufen. Dennoch konnte Adele den Witz, der ihr Haar war, deutlich genug erkennen. Oben war es zwar immer noch zerzaust, unmittelbar über dem Nacken jedoch gerade abgeschnitten. Sie strich mit den Fingern über die rauen Spitzen.
»Gibt es ein Problem?«, fragte Gareth.
»Nein. Nein. Es ist … entzückend.«
»Nicht bewegen.« Er stellte sich dicht neben sie, sodass sich ihre Schultern und Hüften berührten, und hielt den Schild vor sie. »Siehst du? Ich habe ein Spiegelbild. Ich bin real.«
Zum ersten Mal sah Adele sich zusammen mit Gareth. Sie trug die einfachen, grob gesponnenen Kleider aus Canterbury und eine Frisur, die aussah, als wäre sie mit dem Kopf in eine Dreschmaschine geraten. Gareth war groß und schlank, in seinem üblichen, eleganten Grau und Schwarz. Ihre Spiegelbilder wurden beide von der Krümmung des Schilds verzerrt und durch dessen Patina verschleiert. Dennoch lächelte sie.
Er war real. Er war kein
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