Schattenprinz
Jeder Mann in der Reihe feuerte, und die Luft füllte sich mit weißem Rauch und Blut. Die erste Welle der Monster fiel. Colonel Anhalt kniete tief über seinem Schützling. Als die nächste Angriffswelle kam, war es ebenfalls ein grauenhaftes Abschlachten.
Zum ersten Mal zögerten die Kreaturen. Doch der Vampir, der wie ein General dekoriert war, kreischte rasend vor Wut hinter seinen Brüdern. Schnell und ohne Gnade griffen sie wieder an.
»Feuer! Feuer! Feuer!«, brüllte Anhalt.
Eine Kakophonie aus Kreischen, Fauchen und Gewehrfeuer machte den Colonel taub. Dann waren die Vampire plötzlich mitten unter ihnen. Bajonette schlitzten Fleisch bis zu den Knochen auf, Pistolen zermalmten Schädel zu Brei. Die Kämpfenden und Sterbenden schrien durcheinander.
Anhalt wich nicht einen Fingerbreit von seiner Position ab und hieb unerbittlich mit dem Säbel um sich. Es war weder elegant noch grandios anzusehen, nur effektiv und tödlich. Ein Vampir tauchte tief unter seiner Klinge hindurch und schlitzte sein linkes Bein auf. Anhalt spürte, wie er auf Knochen traf. Vor Schmerz ächzend, verdrehte er die Augen, bis das Weiße aufblitzte, bohrte seinen Säbel aber mit einer Drehung tief in den Nacken des Vampirs und durchtrennte das Rückgrat. Die Kreatur brach zu seinen Füßen zusammen, während Rauchfäden von ihrem verstümmelten Hals aufstiegen.
Auf der Suche nach einem neuen Ziel hob Anhalt den Kopf, sah aber stattdessen, dass die Vampire zögerten. Es waren jetzt nur noch wenige. Alle bluteten aus klaffenden Wunden, manche von ihnen hatten keine Arme oder Beine mehr. Sie schwankten, dann erhoben sie sich in die Luft. Der Gurkha dachte, dass sie Höhe für einen weiteren Angriff auf seine mitgenommene Truppe gewinnen wollten, doch stattdessen schwenkten sie nach Norden ab.
Es war vorbei.
Anhalt betrachtete seine Männer. Die meisten von ihnen waren tot, doch sieben standen noch aufrecht, mit Blut besudelt.
»Gut gemacht«, krächzte er, als er sich niederkniete, um nachzusehen, ob sie einen lebenden oder einen toten Jungen verteidigt hatten.
Der Knabe regte sich. Sein Gesicht war blutverschmiert. »Wo ist Adele?«
»Liegen Sie still, Hoheit«, antwortete der Soldat und legte beruhigend eine Hand auf die schmale Schulter des Jungen. Die Vampire waren fort, und Anhalt konnte nur vermuten, dass sie hatten, was sie wollten: die Erbin des Reiches. Er fürchtete das Schlimmste für die Prinzessin, doch das konnte er ihrem Bruder noch nicht sagen.
»Ich will sie sehen«, röchelte Simon.
»Das können Sie nicht.«
»Wo ist unser Schiff?«
»Machen Sie sich keine Gedanken um das Schiff.« Der Colonel wusste nicht, wo die restlichen Schiffe der Flotte geblieben waren oder wann sie kommen würden. Ob sie überhaupt kommen würden. Die Fregatten konnten sehr wohl bei dem Angriff zerstört worden sein.
Anhalt wusste, dass der Junge schwer verletzt war, doch eine oberflächliche Untersuchung des Prinzen ergab keine tödlichen Wunden. Dennoch musste Simon bald ärztliche Hilfe bekommen. Der Schiffsarzt war verloren, und von seinen Gehilfen war keiner in den Stunden seit dem Absturz gefunden worden. Marseille war nicht weit, zu Fuß erreichbar. Obwohl es Anhalt äußerst widerstrebte, mit so vielen Vampiren in der Nähe über Land zu marschieren, war es noch viel gefährlicher, wenn sie an diesem Ort blieben. Das Leben des Prinzen war nun umso wichtiger, besonders wenn sie die Prinzessin tatsächlich verloren hatten.
Die Prinzessin verloren. Diese wunderbare, junge, temperamentvolle Frau. Diese großartige Erbin des Reiches. Fort. Verschleppt von diesen Tieren. Solchen Schrecken und Erniedrigungen unterworfen. Alles, weil Anhalt versagt hatte. Er roch das Blut, das seinen Uniformrock tränkte, und spürte Scham in seinem Herzen. Er musste sich auf die Lippe beißen, um die abgrundtiefe Verzweiflung zurückzudrängen, die in ihm aufwallte. Der Schnitt in seinem Gesicht brannte. Er berührte den Knauf seines Revolvers.
Schnell schob der Colonel die belastenden Gedanken beiseite. Dafür war später noch genug Zeit. Zuerst musste er seine Pflicht gegenüber Prinz Simon erfüllen. Er stellte einen Trupp Männer zusammen, die noch gehfähig waren. Es waren nur zwölf, doch das würde genügen müssen. Der sengende Schmerz in seinem Bein, wo der Vampir ihn aufgeschlitzt hatte, ließ sich nicht ignorieren. Er verband die Wunde, so gut er konnte, und auch das würde genügen müssen, bis der junge Prinz in Sicherheit war.
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