Schattenprinz
die kühlen, gepolsterten Armlehnen fallen und beobachtete den Greyfriar dabei, wie er ihren kümmerlichen Zufluchtsort sicherte. Bevor sie sich versah, fielen ihr die Augen zu. Als sie scheinbar nur Sekunden später wieder erwachte, wurde die Hütte von blassem Sonnenlicht durchflutet. Sie verstärkte den Griff um ihren Dolch.
Wortlos bot ihr Beschützer ihr ein karges Mahl aus Schiffszwieback an. Dankbar nahm sie an und würgte den Zwieback hinunter, gefolgt von ein paar Schlucken Wasser aus einer Blechtasse.
Mit einer Kopfbewegung deutete er auf sauberes Leinen und antiseptische Kräuter auf dem Tisch. »Für Ihre Wunden.«
Adeles Augenbrauen hoben sich, als er aufstand und zum Fenster hinüberging. Es kam kein Angebot, ihr zu helfen, deshalb verarztete sie sich selbst die Hände und zahlreiche weitere Kratzer. Vielleicht war es klüger, dass er nach Feinden Ausschau hielt.
Von seinem Platz an der gegenüberliegenden Wand aus sagte der Schwertkämpfer: »Trinken Sie so viel Sie können, so lang Sie können, Prinzessin. Unsere Flucht hat Ihnen viel abverlangt.«
»Ihnen ebenso.«
Etwas, das Adele nur als Humor deuten konnte, kräuselte seine Stirn. »Ich habe gegessen und getrunken, während Sie schliefen. Erfrischen Sie sich jetzt. Wir werden bald aufbrechen.«
»Aufbrechen? Warum? Dies ist ein gutes Versteck.« Sie lehnte sich in dem Sessel zurück und nahm einen weiteren großen Schluck Wasser. Noch nie hatte es so gut geschmeckt.
»Der Feind kann Sie hier finden«, betonte der Schwertkämpfer. »Flay ist sehr gut in solchen Dingen.«
»Wer?«
»Flay hat die Vampire angeführt, die Sie angriffen. Die große Vampirin.«
»Sie kennen ihren Namen?«
Der Greyfriar zögerte einen Augenblick, dann nickte er. »Sie ist berüchtigt. Die brutalste Kriegerin, die ich je sah.«
»Sie klingen, als hätten Sie Angst vor dieser Flay.«
»Das habe ich auch.«
Dieses Geständnis trug nicht dazu bei, Adele zu beruhigen. »Wohin sollen wir jetzt gehen? Zurück zum Schiff?«
»Nein. Zur nächstgelegenen menschlichen Siedlung.«
»Wie weit wird dieses Ding, diese Flay, uns verfolgen? Wie lange?«
»So lange, wie es nötig ist. Sie wird es nicht wagen, ihrem Meister ohne ihre Trophäe unter die Augen zu treten.«
Zum ersten Mal musterte Adele ihren Begleiter mit echter Eindringlichkeit. Sein Gesicht und die Augen, beides größtenteils verdeckt, verrieten nur wenig. Sie verließ sich mehr auf seine Bewegungen, um das bisschen an Emotionen zu deuten, das sie ausmachen konnte.
Seine Kleidung verbarg die meisten körperlichen Merkmale mit Ausnahme seiner Größe. Er war ein sehr großer Mann und dünn, doch in seiner eigentümlichen Uniform machte er eine schneidige Figur. Obwohl er es zu verbergen suchte, hatte er außerdem eine vornehme Art an sich. Etwas, das zu sehen nur eine Prinzessin in der Lage war, trotz der Tatsache, dass er die Schultern einzog oder sich ein wenig kleiner machte, wenn er ging. Es blieben immer noch eine gewisse Selbstsicherheit, Zurückhaltung und ein Hauch von Arroganz. Charaktereigenschaften, die sie nur allzu gut kannte.
In dem Versuch, ihn einzuordnen, ging Adele im Geiste die verschiedenen Familien von vornehmer Geburt durch. Sie beugte sich vor und versuchte erneut, durch seine Brillengläser zu sehen, wünschte sich inständig, etwas Bekanntes an ihm zu entdecken.
»Sie sind der Greyfriar, nicht wahr?«
Er warf ihr einen schnellen Blick zu. »Sie haben von mir gehört?«
»Natürlich. Jeder hat vom Greyfriar gehört, obwohl ich ehrlich glaubte, Sie seien nur eine Fabel. Sie sind sehr berühmt in Equatoria.«
Der Schwertkämpfer dachte über ihre Worte nach. »Gibt es … gibt es Bücher über mich?«
Adele lachte leise. »Oh, nun ja, ich glaube schon. Sie sind jedenfalls das Gesprächsthema der Damen bei Hofe. Sie werden schrecklich neidisch auf mich sein.«
»Diese Bücher … Haben Sie sie gesehen?«
»Nein, tut mir leid«, antwortete Adele. »Ich habe keine Zeit für populäre Lektüre. Das Leben einer Prinzessin, wissen Sie. Aber glauben Sie mir, Sie sind ein großer Held für die freien Menschen.«
»Ich verstehe.« Der Greyfriar schien zu lächeln, obwohl seine Züge verhüllt waren, und Adele konnte das Vergnügen in seiner Stimme hören. Dann jedoch wurde sein Tonfall schärfer. »Ihr zukünftiger Ehemann ist ebenfalls ein großer Held.«
Das versetzte die Prinzessin in jähe Überraschung. »Mein zukünftiger Ehemann? Woher wissen Sie von ihm?«
»Die Nachricht
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