Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenprinz

Schattenprinz

Titel: Schattenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clay und Susan Griffith
Vom Netzwerk:
aufreihten, deren Abzeichen entfernt im Sonnenlicht funkelten.
    Lord Kelvin war entsetzt, als Admiral Kilwas nach seinem Messingfernrohr verlangte und es ans Auge hob, als wäre dies eine gewöhnliche Bootsregatta auf dem Nil. Der Admiral rief etwas in seiner Muttersprache Swahili aus, zum Glück leise, was Kelvin dazu veranlasste, ta delnd durch die Nase zu schnauben. Der Premierminister konnte erkennen, dass die Männer an der Reling der Ran ger die Taue ergriffen, die im Wind herunterbaumelten.
    Plötzlich dröhnte eine Breitseite von der Fregatte, zuerst an Steuerbord, dann an Backbord. Das Mündungsfeuer der Kanonen war eigenartig. Manche spuckten roten Rauch, manche blauen und manche weißen. Der dichte dreifarbige Qualm hüllte das Schiff ein wie grellbunte Baumwollflocken.
    Dann fielen Männer, die rote, weiße und blaue Rauchfähnchen hinter sich herzogen, aus den Wolken. Einige Leute in der Menge schrien beim Anblick der Menschen, die augenscheinlich in den Tod stürzten, entsetzt auf. Die Amerikaner fielen schnell an den Tauen entlang nach unten, fünfzig an der Zahl, in blauen Uniformen und mit weißen Cowboyhüten, die ihnen an langen Lederschnüren im Nacken baumelten. Einer von ihnen zog eine flatternde amerikanische Flagge hinter sich her. Gekonnt landete die Kommandotruppe am Fuß des Pharos-Towers.
    Admiral Kilwas beugte sich mitsamt seinem Fernrohr vor und lachte. Lauthals. Lord Kelvin zuckte beinahe zusammen.
    Die Menschen in der Menge erlebten einen kurzen Augenblick der Verwirrung, in dem sie zu verstehen versuchten, wie sie sich verhalten sollten, bevor sie von einem Sturm der Begeisterung mitgerissen wurden. Sie waren überrumpelt worden, und obwohl sie ihre Verlegenheit mit Ablehnung hätten kaschieren können, warfen sie stattdessen die Arme in die Luft und brüllten vor Vergnügen.
    Die amerikanischen Soldaten formierten sich in einer Reihe, mit dem Fahnenträger an der Spitze, und marschierten lässig den Dammweg zum Hauptpier entlang, das funkelnde Mittelmeer im Rücken. Fahrenheit-Säbel baumelten ihnen an einer Seite an der Hüfte, und Bajonette steckten in Holstern an der anderen. Ihre dunkelblauen Hosen endeten in hohen weißen Gamaschen und schwarzen Stiefeln. Sie trugen keine Jacken, aber ihre schweren blauen Uniformröcke hatten Epauletten und Doppelreihen schimmernder Messingknöpfe. Muntere gelbe Halstücher flatterten im Wind. Breitkrempige weiße Hüte überschatteten ihre Augen, und ihr weißes Lächeln strahlte.
    Lord Kelvin warf einen Blick auf sein ledergebundenes Exemplar der offiziellen Agenda auf dem Podium vor ihm. Die Marschkapelle hatte ihren Einsatz verpasst. Er blätterte zur zweiten Seite und überflog seine Anmerkungen zur Begrüßung. Dann wurde ihm mit aufwallender Panik bewusst, dass die Amerikaner, da sie sich wie gewöhnliche Orang-Utans von den Tauen geschwungen hatten, den kaiserlichen Protokoll-Offizier zurückgelassen haben mussten. Würden sie wissen, wo sie sich aufstellen sollten? Würden sie wissen, was sie sagen mussten?
    Ein Desaster, dachte Kelvin. Das Ganze war zu einem schrecklichen Desaster geworden. Oh Gott, jetzt winkte Senator Clark der Menge auch noch zu!
    Senator Clark, der direkt vor dem Fahnenträger marschierte, wedelte mit einer fleischigen Hand, als winke er einem Barmädchen, sein Glas aufzufüllen. Sein freimütiges Grinsen strahlte unter einem üppigen schwarzen Vollbart hervor. All seine derben Kommandosoldaten trugen eine ähnlich eindrucksvolle Gesichtsbehaarung zur Schau.
    Lord Kelvin krampfte sich der Magen zusammen. Das Protokoll-Memorandum hatte auch Anweisungen zu Kleidung und Haartracht enthalten. Die kaiserliche Mode forderte in Sachen Gesichtsbehaarung einen Schnurrbart und eventuell noch Koteletten, falls nötig. Vollbärte waren nicht länger angemessen, da der Kaiser sich den seinen vor zwei Jahren abrasiert hatte. Der Protokoll-Offizier hatte Senator Clark sicher auf diese Tatsache hingewiesen. Dennoch sah er aus wie ein Wilder. Und anstatt Galauniformen zu tragen, waren die Amerikaner offensichtlich gekleidet wie eine Art Kabarett-Darsteller.
    Der Senator sprang auf die Bühne, zog die großen weißen Handschuhe aus und streckte Lord Kelvin die Hand hin. Mit dröhnender Stimme sagte er: »Sie müssen Lord Kelvin sein. Ich bin Senator Clark. Es ist mir ein Vergnügen, Sir.«
    Seine Lordschaft starrte auf die schwieligen Finger und wog Unhöflichkeit gegen den Versuch ab, zumindest etwas vom Protokoll zu retten. Der

Weitere Kostenlose Bücher